Piraterie ist nicht teuer, aber gefährlich

SCHIFFFAHRT Die Folgekosten der Seeräuberei werden überschätzt. Auf eine transportierte DVD umgerechnet betragen die Kosten laut Reederverband weniger als 1 Cent. Doch die Piraten gefährden das Leben tausender Seeleute

VON HERMANNUS PFEIFFER

In Hamburg wird am Mittwoch der Prozess gegen zehn Piraten aus Somalia fortgesetzt. Sie sollen im April das hamburgische Containerschiff „MV Taipan“ überfallen haben. Das war nur einer von weltweit 289 Piratenangriffen, die bis Oktober gemeldet wurden. Doch die ökonomischen Kosten der Seeräuberei sind für die Industrieländer gering.

Nur im Ernstfall kommt Piraterie Reedern und Versicherern teuer zu stehen. Da der Wert eines Schiffs plus Ladung schnell eine halbe Milliarde Euro erreicht, fallen Lösegeldzahlungen entsprechend hoch aus. Zumal hinter den Frontkriminellen, die große Schiffe auf hoher See kapern, Finanzprofis stecken, die in London, Paris oder Frankfurt zu Hause sind. „Was wir heute an Piraterie erleben, ist hart und straff organisierte Kriminalität“, sagt Buchautor Eigel Wiese. Daher sollten Geheimdienste die Finanzströme in die Metropolen verfolgen.

Entführungen mit Geiselnahme sind seltener als gemeinhin angenommen. So hatte sich die Mannschaft der „Taipan“ rechtzeitig in einen stählernen Sicherheitsraum geflüchtet und wurde von einem niederländischen Marinekommando befreit. 2009 wurden vor Somalia 44 Schiffe entführt – bei 20.000 Schiffspassagen insgesamt.

In diesen Fällen tragen Reedereien möglicherweise eine Mitverantwortung. „Seit dem Beginn der durch die Europäische Union geführten Operation Atalanta 2008 ist kein einziges Schiff entführt worden, welches die Präventionsmaßnahmen sorgfältig angewandt hat“, so Andreas Uhl von der Fachzeitschrift Marine-Forum. Dazu gehört die Anmeldung bei der maritimen Schutztruppe aus EU-Fregatten, Nato und 5. US-Flotte. Die Kriegsmarinen geleiten Schiffskonvois durch einen Transitkorridor vor Somalia – gegen Gebühr. Der Korridor bietet zudem nicht immer die kürzeste Route Asien–Europa, weshalb er mehr Treibstoff und Zeit kostet.

Seeräuberei wird so vor allem indirekt zu einem Kostenfaktor. Dazu kommen Versicherungsprämien, die bis zu 100.000 Dollar pro Passage betragen können, „Nato-Draht“ wird an der Reling montiert oder ein schussfester Sicherheitsraum errichtet. Einige deutsche Reeder setzen Lärmkanonen oder private Sicherheitsteams ein.

Seit 2004 gelten international strenge Regeln zur Gefahrenabwehr, der sogenannte ISPS-Code. Der sieht die Ausbildung eines Sicherheitsoffiziers vor. Manche Reedereien trainieren zudem ihre Crews. Bundespolizei und private Sicherheitsdienstleister bieten solche Antipiratenkurse.

Doch unter dem Strich sind die Kosten der Piraterie „sehr geringfügig“, sagt Dirk Max Johns vom Deutschen Reederverband. Für eine transportierte DVD betrügen sie „unter einem Cent“.

Dabei bleibt Piraterie eine Geißel für die Matrosen. Johns: „Es geht vor allem um die Menschen.“ Die kommen eher aus den Randzonen der Globalisierung. Auf der überfallenen „Taipan“ arbeiteten ein Russe, fünf Ukrainer, acht Seeleute aus Sri Lanka und nur zwei Deutsche.

Am Weltschifffahrtstag wurden den Vereinten Nationen in London 931.000 Unterschriften von Seeleuten übergeben, die ein Ende der Piraterie fordern. Auch deutsche Arbeitnehmervertreter hatten sich an dieser Aktion beteiligt. Karl-Heinz Biesold von der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di sieht „die Politik in der Pflicht“. Es fehle eine weltweit koordinierte Vorgehensweise. Vor allem dürfe es nicht allein beim Militärischen bleiben. Somalia müsse entwickelt und eine polizeiliche Küstenwache in vielen Ländern aufgebaut werden.