herr tietz macht einen weiten einwurf
: Vergesst den Kabeljau!

FRITZ TIETZ spürt den Klimawandel und fürchtet um die sportive Zukunft Österreichs, Bremens und Hamburgs

Bislang wurde er lediglich herbeigeredet. Nun aber scheint der Klimawandel wirklich zu kommen. Zahlreich jedenfalls sind die Schreckensszenarien, die sie einem derzeit dazu auftischen. Da hört man von Apfelsorten, die wegen erhöhter Durchschnittstemperaturen nicht mehr ordentlich gedeihen. Da reden sie von Landschaften, die zwar vormals auch nicht sonderlich blühende waren, jetzt aber unter der prognostizierten Dauerhitze künftiger Sommer vollends zu verdorren drohen. Kaum jedoch hört man etwas von den Folgen, die dem Sport aus Erderwärmung, Wetterverschiebung oder Anstieg des Meeresspiegels erwachsen.

Als ob die weniger hart ausfielen als etwa die für den Kabeljau – dessen vergleichsweise läppischen Klimaveränderungskonsequenzen übrigens mit Abstand zu den meist bekakelten gehören. Kaum schlägt man eine Zeitung auf oder hat ein Rundfunk- oder TV-Programm eingeschaltet, schon ist da wieder ein Kabeljauexperte zur Stelle, um einmal mehr die immer kabeljauabträglicheren Lebensbedingungen in der Nordsee zu beklagen und darüber zu jammern, dass deswegen der Kabeljau unserer Nordsee endgültig Adieu sagen und in den Atlantik abwandern wird, wo das Wasser noch eisig genug temperiert ist für die Aufzucht seiner Babys. Mein Güte!

Wo aber wird der Abgesang angestimmt, dessen Refrain nicht „Bye-bye Kabeljau“, sondern „Tschüss Wintersport“ lautet? Schließlich bekommen doch gerade die Schneesportler den Klimawandel schon jetzt viel einschneidender zu spüren. Allen voran die Skialpinen. Ihre am letzten Oktoberwochenende im österreichischen Sölden geplanten Weltcuprennen mussten wegen anhaltend sommerlicher Temperaturen abgesagt werden. In 3.250 Metern Höhe wurden neun Grad plus gemessen. Statt der erhofften 15 Zentimeter Neuschnee gab’s bloß Regen. Da helfen auch keine Schneekanonen mehr. Zumal die Gletscher, die man damit allenfalls peripher beschneien lassen kann, eh bald alle weggeschmolzen sind. Wenn also den Alpinen nicht schleunigst etwas einfällt, wie man auch ohne Schnee unterm Ski die Alpen runterpesen kann, müssen sie, dem Kabeljau gleich, in kühlere Reviere auswandern. Die aber sind, glaubt man den Klimaforschern, schon bald nur noch weit nördlich des Polarkreises zu finden. Das skisportverrückte Österreich etwa könnte deshalb gut beraten sein, sein Staatsgebiet nach eben dorthin auszuweiten. Oder sich schon mal nach einer neuen Nationalsportart umzuschauen. Wandern vielleicht. Aber wird das Slalomwandern, um nur mal eine Wettkampfvariante dieser neoalpinen Sportart zu nennen, genauso attraktiv anzuschauen sein wie ein Slalom auf Skiern? Das sind so Fragen.

Doch es ist nicht nur der österreichische Nationalsport, der vom Klimawandel essenziell beeinträchtigt werden wird. Auch der deutsche dürfte einschließlich dessen höchster Spielklasse, der Fußball-Bundesliga, von den Auswirkungen betroffen sein. Hier ist es vor allem der mählich ansteigende Meeresspiegel, unter dem ein geregelter Wettkampfbetrieb insofern zu leiden haben könnte, als mindestens zwei der traditionellen Bundesligisten in meeresnahen Städten beheimatet sind: Bremen und Hamburg. Bei Wasserhöchstständen von über zehn Metern, wie sie Wissenschaftler voraussagen, werden diese beiden Städte und mit ihnen ihre Vereine über kurz oder lang in der Nordsee versinken. Ein Szenario, das jetzt schon jedem Spielbetriebsleiter tiefe Sorgenfalten auf die Stirn graben sollte, weil die ständigen Überflutungen der beiden Städte zunächst zu ebenso ständigen Heimspielabsagen führen dürften. Am Ende wird ihm nichts anderes übrig bleiben, als Bremen und Hamburg ganz aus dem Ligabetrieb zu streichen. Erstmals seit Menschengedenken werden dann nur noch 16 Bundesligisten die deutsche Fußballmeisterschaft ausspielen. Was kümmert einen da noch das Schicksal des Kabeljaus?