WTO begrüßt Vietnam

Die Wirtschaft des südostasiatischen Landes boomt. Doch geringere Importzölle erhöhen nun den Druck von außen

SINGAPUR taz ■ Mit seinem Beschluss machte der Generalrat der Welthandelsorganisation, kurz WTO, gestern den Weg für Vietnam frei: Das südostasiatische Land wird das 150. Mitglied der WTO. Rund zwölf Jahre hatten Vietnam und die WTO über den Beitritt verhandelt. Dieser garantiert den dortigen Firmen nun einen verstärkten Zugang zu den internationalen Märkten. In Asien gilt Vietnam bereits als die am schnellsten wachsende Volkswirtschaft nach China. Experten der Asiatischen Entwicklungsbank in Manila erwarten für dieses Jahr ein Wachstum von insgesamt 7,8 Prozent. Kritiker befürchten einen stärkeren Druck von außen.

Die vietnamesische Regierung selbst geht von umgerechnet rund 5,5 Milliarden Euro Auslandsinvestitionen aus, das wären 40 Prozent mehr als noch in 2005. „Für Vietnam ist das ein sehr wichtiger Wendepunkt“, sagt Le Dang Doanh, führender Wirtschaftsberater der Regierung in Hanoi, zum bevorstehenden WTO-Beitritt.

Das Prinzip des Doi Moi, der seit 20 Jahren betriebenen wirtschaftlichen Liberalisierung, hat sich also wirtschaftlich gelohnt. Politisch aber greift die kommunistische Führung weiterhin hart durch – vor allem, wenn es um Regierungskritiker oder Menschenrechtsaktivisten geht. Wer es wagt, Politiker zu kritisieren oder Korruption und Bürokratie anzuprangern, sieht sich schnell mit Verhören, Schlägen und Gefängnis konfrontiert. Dennoch sehen Kritiker die wuchernde Korruption als eins der größten Probleme an. Immerhin zeigen sich erste Erfolge: Vor einigen Monaten wählte der Parteitag der Kommunistischen Partei Nguyen Minh Triet zum neuen Präsidenten, der sich als Kämpfer gegen die Korruption einen Namen gemacht hat.

Vietnam, in dem immer noch mehr als die Hälfte der 84 Millionen Einwohner auf dem Lande lebt, gilt weiterhin als eines der ärmeren Entwicklungsländer – die Textilindustrie gehört zum wichtigsten Wirtschaftszweig. Der WTO-Beitritt, glauben Vertreter der Branche, bedeute speziell für sie neue Absatzmöglichkeiten. Weitere Hauptexportgüter sind Schuhe, Lederwaren, Reis, Kaffee, Rohöl – und neuerdings auch Computer.

Allerdings wird mit dem WTO-Beitritt gleichzeitig der Konkurrenzdruck wachsen: wenn auch die eigenen Schutzzölle wegfallen und Vietnam selbst mit billigen Importen überschwemmt wird. Daher werden auch kleine Unternehmen, die sich gerade erst etabliert haben, mit Problemen zu kämpfen haben. Um nach dem Beitritt Vietnams in die WTO wachsen zu können, müssten diese stärker mit ausländischen Firmen kooperieren, sagt Chefwirtschaftsberater Le Danh Doanh.

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