Hannovers wiedergefundene Leichtigkeit

RÜCKKEHR Der schon abgeschriebene Jan Schlaudraff führt Hannover 96 zum Sieg gegen den SC Freiburg

Nach düsteren Monaten hat Hannover die Leichtigkeit des Seins wiedergefunden

Zunächst sah alles ganz normal aus. Was eine Viertelstunde nach dem Spiel zu sehen und vor allem zu hören war, wäre vor wenigen Wochen aber noch undenkbar gewesen, denn da stand einer und redete, der längst abgeschrieben und in der Bedeutungslosigkeit verschwunden war – und alle lauschten seinen Worten. „Wir stehen hinten sicher und haben immer wieder unsere Möglichkeiten“, sagte Jan Schlaudraff, der ehemalige Nationalspieler von Hannover 96, nach dem leichtfüßigen 3:0 (1:0) gegen den SC Freiburg. Nun sind diese Sätze deshalb so bemerkenswert, da man den Großverdiener im Sommer noch loswerden wollte und Martin Kind, der grundkritische Präsident, ihm das Versprechen gab, nie wieder für Hannover aufzulaufen. Der Nachsatz, er sei „glücklich, wieder dabei zu sein“, wäre in der Aufregung beinahe untergegangen. Es klang so, als wäre die Freude mit Verspätung gekommen, was für Mannschaft und Spieler in diesen Tagen gleichermaßen gilt.

Was in erster Linie daran lag, dass er sich und seiner Karriere dank einer grandiosen Selbstüberschätzung lange selbst im Weg stand. Immer wieder trainierte er leidenschaftlich leidenschaftslos, die Kritik ließ ihn erstaunlich lange kalt, weshalb er sich auf einmal abseits der großen Schlagzeilen wiederfand, irgendwo zwischen Bank und Tribüne. Den wunderbaren Fuß, der mit einer einzigen Ballberührung einem langweiligen Spiel den besonderen Moment schenken kann, hat er aber nicht verloren, wie das schöne Führungstor (15.) und die herrliche Vorlage auf Didier Ya Konan (73.) bewiesen. „Ich habe mich in dieser schwierigen Situation nicht hängen lassen und so den Weg zurück in die Mannschaft gefunden“, sagte Schlaudraff, dessen Tore und Worte auch Ausdruck einer gewissen Genugtuung waren für einen vielversprechenden Auftritt, der nicht nur wegen der spielerischen Höhepunkte für die nächsten Wochen neue Hoffnungen geweckt hat.

Nach den dunkelsten Monaten der Vereinsgeschichte, die mit dem Selbstmord von Nationaltorhüter Robert Enke begonnen haben und beinahe mit dem Abstieg in der vergangenen Saison geendet hätten, sieht es so aus, als hätten sie in Hannover die Leichtigkeit des Seins wiedergefunden, was man nicht nur an der erstaunlichen Entwicklung eines lange geschmähten Spielers wie Jan Schlaudraff erkennen kann. Da konnte es 96-Trainer Mirko Slomka verschmerzen, dass er „kein brillantes Fußballspiel“ gesehen hat.

„Eine sehr charakterstarke und selbstbewusste Mannschaft“, hatte Martin Kind gesehen, der dem vierten Platz aber noch nicht besonders viel Bedeutung geben will. Die Verträge von Trainer Mirko Slomka und Sportdirektor Jörg Schmadtke, denen er ebenso in herzlicher Feindschaft verbunden ist wie die beiden miteinander, will er nach der aufregend erfolgreichen Hinrunde aber dennoch bald „langfristig verlängern“.CHRISTOPH ZIMMER

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