Was der Wurm im Winter macht

Mit einer Ausstellung zum Anfassen erklärt die Naturwissenschaftliche Sammlung, wie Tiere in der Stadt überwintern. Sie richtet sich vor allem an Kinder. Die dürfen mit Taschenlampe herumstöbern

VON JÖRG MEYER

Der Eichelhäher ist eine Krämerseele. Er merkt sich 30.000 Eicheln in 6.000 selbst angelegten Winterverstecken. Er weiß nicht nur, wo, sondern auch wie lange die vergrabenen Früchte schon liegen. Gammel-Eicheln mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum kommen in seinem Wintermenü nicht vor.

„Im Sommer trainiert der Eichelhäher sein Erinnerungsvermögen, indem er Steinchen versteckt“, erzählt der zoologische Präparator Manfred Gräfe. Er ist der Kurator der Ausstellung „Mit Daunen, Pelz und Frostschutzmittel – Tiere im Winter in Berlin“, die in der Naturwissenschaftlichen Sammlung in Charlottenburg zu sehen ist. Die Sonderausstellung in der zur Stiftung Stadtmuseum Berlin gehörenden Sammlung soll Stadtmenschen die Natur näher bringen. „Dass die Naturverbundenheit der Menschen in der Stadt abnimmt, merken wir immer wieder“, sagt Gräfe. Dabei bestehe die Großstadt nicht nur aus betonierten Flächen, sondern bietet einen geeigneten Lebensraum und günstige Bedingungen für Wildtiere.

Dies Unkenntnis schadet der Tierwelt. „Wenn die Leute beispielsweise im Frühling zu lange Vögel füttern, bringen sie damit Jungtiere um“, erklärt Gräfe. „Statt auf die Jagd nach Insekten und Würmern zu gehen, bringen die Eltern den Jungvögeln Körner aus den Vogelhäusern, die sie noch nicht verdauen können.“

Die Ausstellung ist liebevoll gestaltet. Die Exponate stehen nicht hinter Glas, sondern werden in nachgebildeten Lebensräumen präsentiert. So geht es vom Dachboden und der Hausfassade im ersten Raum über die Gartenlandschaft im nächsten zum winterlichen Wald im größten Saal. Anfassen ist nicht nur erlaubt, sondern bei vielen Stücken auch erwünscht.

BesucherInnen bekommen den Unterschied zwischen winteraktiv, Winterruhe, Winterschlaf und Kältestarre erklärt. An vielen Stellen kann man ein Stück Watteschnee oder Baumrinde abheben und darunter sehen, wie Insekten, Vögel, Amphibien oder Säuger überwintern.

So graben sich Regenwürmer ein und verschlingen sich um sich selbst, um ihre Oberfläche zu reduzieren. Der Laubfrosch fällt in eine Kältestarre und kann Temperaturen bis minus fünf Grad überleben. Er hat tatsächlich drei Prozent „Frostschutzmittel“ im Blut, das aus Alkohol, Eiweißen und Zucker besteht.

Die Ausstellungsmacher richten sich mit einem großen Spezialangebot an Kinder. So gibt es an allen Tagen ein themenbezogenes Bastelangebot. Bis 15. Dezember findet zudem an jedem Freitag um 18 Uhr eine Taschenlampenführung statt, bei der Kinder die winterdunklen Räume erkunden können.

Dabei lernen die BesucherInnen dann auch, dass im Gegensatz zum Eichelhäher das Eichhörnchen ein wahrer Chaot ist. Wie der Vogel versteckt das Nagetier zwar auch einen Wintervorrat an Eicheln und anderen, findet diesen aber in vielen Fällen nicht wieder. Das verpeilte Hörnchen nutzt damit aber der Natur. Im Frühjahr gehen die Eicheln dann auf – ein Beitrag zur „natürlichen Aufforstung“.

„Tiere im Winter“: Naturwissenschaftliche Sammlung, Schloßstraße 69 a, Charlottenburg; bis 4. Februar, Dienstag bis Sonntag von 10–18 Uhr. Eintritt frei. Kinder- und Jugendgruppen können für 1 Euro pro Kind durch die Ausstellung geführt werden. Die Taschenlampenführungen kosten pro Kind 2, für Erwachsene 3 Euro. Anmeldung unter (0 30) 3 42 50 30