Bescheidenheit macht arm

Heiß abwaschen ist weniger wert als Straßen planieren: Frauenarbeit wird geringer entlohnt als Jobs der Männer – die verhandeln ihr Gehalt härter. Heute tagen Gleichstellungsbeauftragte

VON MIRIAM BUNJES
UND NATALIE WIESMANN

Die Frauen wollten sofort auf Gehalt verzichten, um ihre Projekte nicht zu gefährden. Die Männer waren strikt dagegen: „Nur wenn wir gut verdienen, können wir erfolgreiche Projekte machen.“ Sehr unterschiedlich reagierten die Landesarbeitsgemeinschaften von Schwulen und Lesben Anfang 2006 auf die angekündigten Kürzungen der NRW-Landesgelder für ihre Netzwerke. „Frauen sind bescheidener und wollen immer teilen“, sagt Gabriele Bischoff, Geschäftsführerin der LAG Lesben in NRW. Bescheidenheit sei ein weibliches Verhalten, das sich auch immer wieder in Gehaltsverhandlungen beobachten (siehe Beispiel unten) ließe. Und so schlagen Frauen auch dort weniger Geld heraus als ihre fordernden Konkurrenten.

Das Prinzip Bescheidenheit ist mit dafür verantwortlich, dass Frauen insgesamt wesentlich weniger verdienen als Männer. Über den Lohnabstand zwischen Männern und Frauen diskutieren bis heute Abend in Köln die Gleichstellungsbeauftragten der Kommunen. In Nordrhein-Westfalen erhalten Frauen 20 Prozent weniger Gehalt als ihre männlichen Kollegen. Diesen Durchschnitt hat das Bundesamt für Statistik errechnet – und NRW schneidet damit im Vergleich zum Rest der Republik noch nicht einmal schlecht ab, sondern liegt auf einem mittelmäßigen neunten Platz. Im europäischen Vergleich belegt Deutschland mit diesem Lohnabstand Platz 20 – von insgesamt 25 Ländern. Ein Missstand, der den Job der Gleichstellungsbeauftragten überhaupt erst geschaffen hat. Auf die unterschiedlich hohen Löhne auf dem freien Arbeitsmarkt haben die kommunalen Angestellten aber wenig Einfluss.

Gleiche Qualifikation und trotzdem weniger Geld? Das wäre ein klarer Fall von Diskriminierung. So einfach funktioniert die Rechnung aber nicht. In NRW arbeiten Frauen wie im Rest der Republik zu einem großem Teil im Dienstleistungsbereich – und dort werden geringere Löhne gezahlt, auch an die Männer, die dort arbeiten.

„Die Tarifverträge schreiben die Lohnabstände teilweise fest“, sagt die Wirtschaftswissenschaftlerin Dorothea Voss-Dahm vom Gelsenkirchener Institut für Arbeit und Technik (IAT). Schwere körperliche Arbeit wird höher entlohnt als feinmotorische, deshalb kriegt man(n) im Männerberuf Bauarbeiter grundsätzlich einen Erschwerniszuschlag. Im Frauenjob Küchenhilfe gibt es den nur, wenn die Hilfen nachweislich mehrere Stunden am heißen Abwasch standen – und dann auch nur für eben diese Stunden.

Durch alle Branchen hinweg haben Frauen ein fundamentales Problem: Sie verlassen ihre berufliche Position sehr viel seltener als ihre männliche Kollegen in Richtung Chefsessel. „Es ist heute immer noch so, dass meistens die Frauen ihr Berufsleben unterbrechen, um ihre Kinder zu erziehen“, sagt Ulrike Wenner, Beauftragte für Chancengleichheit im Landesarbeitsamt NRW. Die Karriere stoppt, viele fangen danach in Teilzeit wieder an. „So steigt man nicht auf“, sagt Ulrike Wenner. Zu Unrecht, findet sie. „Teilzeitkräfte werden von deutschen Arbeitgebern abgewertet“, sagt Wenner. „Dabei arbeiten sie oft mehr und besser und könnten auch Führungspositionen ausfüllen, wenn man sie ließe.“

Zur Zeit sitzen aber fast ausschließlich Vollzeitkräfte auf den Chefsesseln. Gleichzeitig machen fehlende Ganztagsplätze für Kleinkinder eine 50-Stunden-Woche für beide Eltern oft unmöglich. „Da wird sich in den nächsten Jahren viel verändern“, sagt die Gelsenkirchener Wirtschaftswissenschaftlerin Voss-Dahme. Sie glaubt, dass die Lohnabstände zwischen Männern und Frauen mit den steigenden Kitaplätzen abnehmen werden. Und auch, weil immer mehr der höher Qualifizierten ganz auf Kinder verzichten – und entsprechend auch Karriere machen können.