Umweltschutz vor Berufsfreiheit

LANDWIRTSCHAFT Das Bundesverfassungsgericht bestätigt die strengen Auflagen für Gentechnik

Das Bundesverfassungsgericht verteidigte die Einschränkungen mit dem Verweis auf den Schutz von Menschen und Umwelt. Wohl zum ersten Mal argumentierte es offensiv mit dem Staatsziel Umweltschutz

AUS KARLSRUHE CHRISTIAN RATH

Die von der rot-grünen Bundesregierung eingeführten Beschränkungen der Gentechnik sind mit dem Grundgesetz vereinbar. Das entschied am Mittwoch das Bundesverfassungsgericht. Die Klage des Landes Sachsen-Anhalt, das den Anbau und die Erforschung von Genpflanzen erleichtern wollte, wurde in vollem Umfang abgelehnt. Stattdessen hat sie ein Grundsatzurteil erwirkt, das mutigen Umweltschutz verfassungsrechtlich absichert. Aus sachsen-anhaltischer Sicht eher ein Eigentor.

Seit dem Jahr 2004 müssen Bauern und Forscher den Anbau von „gentechnisch veränderten Organismen“ (GVO) in einem öffentlichen Standortregister bekannt machen. Außerdem müssen GVO-Bauern Schadenersatz zahlen, wenn benachbarte Höfe wegen Pollenflugs ihre Ernte nicht mehr als gentechnikfrei verkaufen können.

Sachsen-Anhalt, das sich als Vorreiterland der Biotechnologie sieht, hatte gegen die Verschärfungen geklagt. Sie stellten quasi ein Berufsverbot für Gentech-Bauern dar. Die Einschränkungen seien aber nicht gerechtfertigt, denn genehmigte GVO-Pflanzen seien nicht gefährlich. Ihre Auskreuzung auf andere Felder sei etwas ganz Natürliches und kein Schaden. Das Standortregister lade Gentech-Gegner geradezu zu Feldzerstörungen ein.

Das Bundesverfassungsgericht erklärte nun beide Regelungen für verfassungsgemäß. Die Einschränkungen seien zum Schutz von Menschen und Umwelt gerechtfertigt. Die langfristigen Folgen der Gentechnik seien noch nicht endgültig geklärt, Eingriffe ins Erbgut seien nur schwer rückgängig zu machen. Der Gesetzgeber habe deshalb bei der Vorsorge gegen Gefahren „großzügigen Entscheidungsspielraum“, so die Richter. Ein Berufsverbot für Gentech-Bauern liege zwar nicht vor, wäre aber durchaus möglich gewesen.

Das Standortregister sei ein „wichtiger Beitrag zum öffentlichen Meinungsbildungsprozess“. Transparenz wurde von den Richtern damit zum Verfassungswert erklärt. Dagegen müsse das Grundrecht der GVO-Bauern auf informationelle Selbstbestimmung zurückstehen. Das Register habe nicht die Gefahr von Straftaten erhöht, meinen die Richter, da es auch schon vor 2004 mutwillige Zerstörungen gab. Gegen solche Angriffe müsse der Staat mit den Mitteln von Straf- und Polizeirecht vorgehen, nicht mit Heimlichtuerei.

Die neuen Haftungsregeln für gentechnische Verunreinigungen sahen die Richter ebenfalls als unproblematisch an. Es handele sich um eine Weiterentwicklung der traditionellen Störerhaftung im Nachbarschaftsrecht. Die Regeln ermöglichten ein verträgliches Nebeneinander von ökologischer, konventioneller und gentechnischer Landwirtschaft. Wohl zum ersten Mal argumentierte das Gericht offensiv mit dem 1992 eingeführten Staatsziel Umweltschutz.

Umweltverbände begrüßten das Urteil einhellig. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) wertete es als „wegweisend, dass das Gericht den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen so herausgestellt hat“.

Bisher werden in Deutschland kaum genveränderte Pflanzen angebaut. Das liegt aber auch daran, dass derzeit nur die Genkartoffel Amflora, aus der Industriestärke gewonnen wird, zum Anbau zugelassen ist.