HANNES KOCH ÜBER IRLAND UND DIE RATINGAGENTUREN
: Fatale Privaturteile

Marktwirtschaft in Ehren. Aber Privatfirmen sollten nicht über das Schicksal ganzer Staaten und ihrer Bevölkerung entscheiden dürfen. Das ist gerade wieder passiert, indem die Ratingagentur Standard & Poor’s die Bonitätsnote Irlands gesenkt hat. Die Bewertungsfirma glaubt, dass die Regierung die Staatsschulden nicht schnell genug abbauen kann. Wer irische Staatsanleihen kauft, müsse künftig eher mit einem Staatsbankrott rechnen – ein fatales Urteil.

Ratingagenturen haben die vernünftige Aufgabe, Investoren verlässliche Daten darüber zur Verfügung zu stellen, ob sie ihr Kapital plus Zinsen von den Schuldnern zurückerhalten werden. Deshalb bewerten die Agenturen Firmen ebenso wie Staaten. Bei diesen kann das zu großen Problemen führen. Wenn Standard & Poor’s sein Rating senkt, verlangen die Käufer irischer Staatsanleihen steigende Zinsen. Das treibt die Kosten des irischen Staates in die Höhe. Unter dem Strich müssen die Steuerzahler viele zusätzliche Milliarden aufbringen – mehr als ohne Rating-Herabstufung.

Dabei ist die Begründung des Urteils fragwürdig. Schließlich hat Irland Finanzhilfe des Eurorettungsfonds beantragt. Die schwindende Finanzkraft des irischen Staates wird durch die Unterstützung der Eurozone ausgeglichen. Die Ausfallwahrscheinlichkeit irischer Staatsanleihen geht gegen null. Das trifft auch zu, wenn die Eurozone später ein neues Umschuldungsverfahren unter Einbeziehung privater Gläubiger beschließt. Denn dieser Mechanismus würde nicht rückwirkend gelten.

Standard & Poor’s überträgt also privatwirtschaftliche Bewertungskategorien fälschlicherweise auf Staaten. Deshalb müssen die Regierungen die Wirkung dieser verhängnisvollen Urteile künftig einschränken: Eine öffentliche, europäische Agentur muss her, um die Urteile der privaten Konkurrenz zu relativieren.