Dicke Luft vor dem Verwaltungsgericht

Anwohner klagen gegen die Genehmigung für die Verbrennungsanlagen der Bremer Wollkämmerei

Der Streit fängt bei der Wortwahl an. Von einem „Heizkraftwerk“ spricht die Bremer Wollkämmerei (BWK), von einer „Energieerzeugungsanlage“, die Strom und Wärme für die umliegenden Betriebe erzeuge, Richter Viggo Eiberle-Herm. Von einer „Müllverbrennungsanlage“ reden die KlägerInnen, AnwohnerInnen aus Bremen-Blumenthal, denn: „Der Zweck der Anlage wird definiert durch das, was sie hauptsächlich macht.“ Aus ihrer Sicht vor allem: Plastikmüll verbrennen. Abfallentsorger aus Bassum und Oldenburg sind an dem Joint-Venture beteiligt, statt Steinkohle, wie einst, landet nun die heizwertreiche Fraktion aus ihren Sortieranlagen im BWK-Ofen.

Den Nachbarn stinkt das gewaltig. Sie haben Klage eingereicht, gegen die Stadt Bremen, die den Brennstoffwechsel genehmigt hat. Und die der BWK auch erlaubt hat, in ihrer „Eindampfungs- und Feuerungsanlage“, einst zur Entsorgung des pestizidbelasteten Wollwaschwassers errichtet, nun flüssigen Giftmüll von überall zu verbrennen. Die BWK-Öfen, ausgelagert in Tochterunternehmen, hätten sich „zum Selbsterhalt“ neue Geschäftsfelder erschlossen, argumentieren sie, die kommerzielle Müllverbrennung sei eine „Verfremdung“ der rechtlich zulässigen Nutzung des Gebiets.

Vor dem Verwaltungsgericht stießen sie damit gestern auf taube Ohren. „Wir verstehen, dass man als Nachbarn denkt: ‚Jetzt wird hier was anderes gemacht, hier soll Geld mit Müllverbrennung verdient werden“, räumt Richter Eiberle-Herm ein: „Aber darauf kommt es nicht an.“ Denn: „Aus der denkbaren Motivation folgt nicht, dass etwas juristisch nicht in Ordnung wäre.“

Dass, wie die KlägerInnen behaupten, die Gutachten zum Schadstoff-Cocktail, der über Blumenthal herunterkommt, einschlägige Richtlinien missachteten, dass Schadstoffe, die nicht aus dem Schornstein, sondern auf anderem Weg in die Umwelt gelangen, gar nicht bewertet wurden, dass das Blumenthaler Mikroklima keine Berücksichtigung fand, beeindruckt die RichterInnen wenig. All das nämlich ist „juristisch nicht relevant“. Denn nach bundesdeutschem Verwaltungsrecht können KlägerInnen nur rügen, wenn sie in ihren eigenen Rechten verletzt werden. Und dafür, so Eiberle, gebe es kaum Hinweise.

Das gilt auch für den Gestank, der seit Jahren für Unmut unter den AnrainerInnen führt. Veilchen, Schuhputzcreme und allerlei schlicht „ekelerregende“ Gerüche beklagen sie, und zwar seit der Mitverbrennung von externem Sondermüll. Ihr Verdacht: Die angeblich „saubere“ Verbrennung funktioniert nicht richtig. „Alles was stinkt, wird verbrannt“, sagt Eiberle-Herm, „zumindest nach den Gutachten.“

Auf den vollbesetzten Zuschauerrängen platzt einigen jetzt der Kragen: „Es stinkt“, ruft einer, hat sich von seinem Sitz erhoben, „vor allem nachts“. „Das ist, wenn die die Filter wechseln“, pflichtet ihm eine andere bei. „Natürlich gibt es eine gravierende Verschlechterung der Situation“, sagt Rechtsanwältin Renate Blöhbaum. Eiberle-Herm belehrt sie: Allein die Häufigkeit der Geruchsbelästigung sei entscheidend: „Geruchsart und Intensität sind juristisch irrelevant.“ Das Urteil soll binnen 14 Tagen ergehen. sim