„Minustah, Cholera“, rufen sie

HAITI Demos gegen die angeblich für die Cholera verantwortlichen UN-Blauhelm-Soldaten in der Hauptstadt mit Gewalt aufgelöst

Das gewaltsame Vorgehen der Polizei in den Zeltstädten sorgt für Empörung unter den Obdachlosen

AUS SANTO DOMINGO HANS-ULRICH DILLMANN

Die gewaltsamen Unruhen im Norden Haitis haben am Donnerstag auf die Hauptstadt übergegriffen. Mit Tränengas und Gummigeschossen ging die haitianische Aufstandsbekämpfungspolizei in Port-au-Prince gegen Demonstranten vor, die sich vor dem zerstörten Präsidentenpalast im Stadtzentrum versammelt hatten. Rund um das Marsfeld leben seit dem Erdbeben vom 12. Januar rund 60.000 Obdachlose. Um die Demonstration aufzulösen, schoss die Polizei nach Informationen der Presseagentur AlterPresse auch Tränengasgranaten in die Zeltstädte auf dem Platz Petión und Dessalines. Ältere und Kinder seien in Panik geflohen.

Die Demonstration war nach Berichten von AlterPresse von der Plattform „Libération“ (Befreiung) organisiert worden, zu der vor allem die Gewerkschaftsgruppierung Batay Ouvriye, die Demokratische Volksbewegung (MODEP) und die Autonome haitianische Arbeiterzentrale (CATH) gehören. Sie waren vom Stadtteil La Lue aus in die Innenstadt mit den Parolen „Minustah, Cholera“ gezogen. Auf einem Spruchband war zu lesen, die Blauhelme der UN-Mission in Haiti (Minustah) verteilten „Exkremente auf der Straße“. In Haiti werden nepalesische Blauhelmsoldaten für das Ausbrechen der Cholera-Epidemie verantwortlich gemacht. Der Erreger soll identisch sein mit asiatischen Stämmen. Die Fäkalien der Nepalesen sollen in einem Nebenfluss des Artibonite entsorgt worden sein, aus dem viele der Infizierten ihr Wasser entnehmen.

Am Abend herrschte in Port-au-Prince nach Augenzeugenberichten eine angespannte Ruhe. Straßen in der Innenstadt waren mit Betonsteinen, Mülltonnen und brennenden Reifen übersät, zeitweise war der Verkehr in der Innenstadt zusammengebrochen. Das gewaltsame Vorgehen der Aufstandspolizei und der Einsatz von Tränengasgranaten auch innerhalb der Zeltstädte hat für Empörung unter den obdachlosen Bewohnern gesorgt, die schon seit langem klagen, dass sie nicht genug Hilfe bekommen. Die Demonstranten machten vor allem den haitianischen Präsidenten René Préval und den amtierenden Ministerpräsidenten Jean Max Bellerive für die gewaltsame Unterdrückung der Proteste verantwortlich.

In Cap Haitïen war es nach drei Tagen gewaltsamer Proteste dagegen ruhig. Dort waren bei den Demonstrationen mindestens drei Menschen von UN-Soldaten erschossen worden.

Die Zahl der Choleratoten stieg derweil auf 1.200. Die Cholera erreichte inzwischen auch das Nationalgefängnis in Port-au-Prince, wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) gestern mitteilte. 30 Häftlinge hätten sich infiziert, zehn seien in den vergangenen vier Tagen bereits gestorben.