Preisträger darf nicht, Diplomaten wollen nicht

FRIEDENSNOBELPREIS China setzt Botschaften unter Druck, der Zeremonie fernzubleiben. Mit Erfolg

Vermutlich wird es zum ersten Mal keine Preisverleihungszeremonie geben

STOCKHOLM taz | 36 Ja, 6 Nein und 16 noch unentschieden. Diese vorläufige Bilanz konnte der Sekretär des norwegischen Friedensnobelpreiskomitees, Geir Lundestad, ziehen, nachdem in dieser Woche die Frist abgelaufen war, innerhalb deren die in Oslo akkreditierten ausländischen Botschafter ihr Kommen zur Friedensnobelpreisfeier am 10. Dezember bestätigen sollten. Normalerweise ein gern wahrgenommener Pflichttermin. Doch in diesem Jahr angesichts des Preisträgers Liu Xiaobo und des Drucks, den Peking ausgeübt hat, für einige Länder offenbar ein Problem.

Die Einladung an den chinesischen Botschafter kam ungeöffnet an das Komitee zurück. Kasachstan, Marokko, Kuba und Iran sagten ohne Begründung Nein und reagierten damit offenbar auf den Brief, den Chinas Oslo-Botschafter Tang Guoqiang gleich nach Bekanntgabe der Ehrung des gefangenen Regimekritikers an eine Reihe anderer diplomatischer Vertretungen geschickt hatte. Darin bat er indirekt darum, die Nobelpreiszeremonie zu boykottieren. Auch aus Moskau kam eine Absage.

Wer die 16 „unentschiedenen“ Länder sind, von denen man weder eine Zu- noch eine Absage erhalten hat und die sich noch Bedenkzeit erbeten haben, wollte Nobelpreissekretär Lundestad nicht sagen. Alle EU-Länder mit Repräsentanz in Oslo hätten aber ihr Erscheinen zugesichert.

Vermutlich werde es zum ersten Mal in der 109-jährigen Geschichte des Friedensnobelpreises keine Preisverleihungszeremonie geben, erklärte Thorbjørn Jagland, Leiter des Friedensnobelpreiskomitees, am Donnerstag gegenüber der Osloer Aftenposten: „Wir haben uns entschieden, dass nur jemand aus der Familie von Liu Xiaobo den Preis entgegennehmen kann. Und das scheint ja nicht möglich zu sein.“ Jagland machte damit klar, dass der Preis an keine der 140 Personen, die Liu Xiaobo zu der Feier eingeladen habe, stellvertretend überreicht werden könne – selbst falls einigen tatsächlich eine Teilnahme möglich sollte.