Traurig im Kartell

Der Großkonzern RWE fühlt sich auf dem Gasmarkt der Macht des Großkonzerns Eon Ruhrgas ausgeliefert

„Wir beschweren uns überhaupt nicht“, beschwert sich die Konzernsprecherin. Niemand in der Vorstandsetage des Energieriesen RWE am Essener Opernplatz sei sauer auf die Kollegen des nicht minder einflussreichen Gasunternehmens Eon Ruhrgas, das keine zwei Kilometer entfernt in der Huttropstraße residiert. Nur eins wolle RWE klarstellen: „Der deutsche Gasmarkt muss wettbewerbsorientierter werden.“

Und deshalb will RWE jetzt in Konkurrenz treten zum mächtigen Quasi-Nachbarn. Zu Beginn des kommenden Jahres will RWE eine so genannte „Gas-Midstreamgesellschaft“ gründen, Vorstandschef Harry Roels hat bereits einen Vorstand für das Tochterunternehmen berufen. Die Aufgabe des jüngsten Sprösslings in der weitverzweigten RWE-Familie ist es, Gas einzukaufen – und zwar nicht mehr wie bisher vom Marktführer Eon Ruhrgas, sondern direkt bei den Produzenten in Norwegen oder Russland.

Mit RWE reiht sich damit ein Promi-Unternehmen in die wachsende Gruppe von Energieversorgern ein, die sich mit der marktbeherrschenden Stellung von Eon Ruhrgas nicht abfinden wollen. Anders als das Aufmucken der kleinen Stadtwerke, die schon seit längerem die Suche nach ausländischen Gasquellen aufgenommen haben, muss Eon Ruhrgas die Offensive von RWE tatsächlich fürchten: Sollte RWE abspringen, ginge dem Konzern der wichtigste Kunde verloren.

Eines fehlt dem immerhin drittgrößten Lieferanten RWE noch, um Eon Ruhrgas im Gas-Monopoly tatsächlich auf Augenhöhe begegnen zu können: Ein eigenes Pipeline-Netz. Das allerdings ist teurer. Wohl auch deshalb rufen Roels und seine Vorstandskollegen jetzt nach mehr Wettbewerb. Das Kalkül: Ausgerechnet die Bundesnetzagentur, die RWE bislang im Dauerstreit um die Strompreise mit allen Mitteln bekämpft hat, soll dem Konzern nun mittelfristig den freien Zugang zum Netz des Konkurrenten Eon Ruhrgas erstreiten.

Verbraucherschützer wie Aribert Peters, Chef des Bundes der Energieverbraucher, gewinnen den Plänen von RWE deshalb auch eine lustige Seite ab. Es sei schon „komisch“, wenn sich ein Unternehmen über ein Kartell aufrege, in dem es „lange glänzend verdient hat“.

Bei RWE sieht man das naturgemäß anders: Hier beschwere sich kein Kartellmitglied über die Marktmacht eines anderen, weist die Konzernsprecherin zurück. Noch einmal, zur Erinnerung: „Wir beschweren uns überhaupt nicht“. KLAUS JANSEN