Der Druck auf Katzav wird immer stärker

Der israelische Oberstaatsanwalt empfiehlt dem Staatspräsidenten den vorübergehenden Amtsverzicht bis zur Klärung der Vorwürfe von sexueller Nötigung. Über seine Nachfolge wird bereits spekuliert. Auch Schimon Peres ist wieder im Gespräch

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Israels Oberstaatsanwalt Menachem Masus hat gestern Staatspräsident Mosche Katzav empfohlen, vorübergehend auf sein Amt zu verzichten. Katzav steht im Verdacht der Vergewaltigung in zwei Fällen, der sexuellen Nötigung sowie der Veruntreuung öffentlicher Gelder. Vor zwei Wochen empfahl die Polizei, Anklage gegen den Präsidenten zu erheben. Ungeachtet der dringenden Appelle auch aus dem Parlament blieb Katzav, der alle Anschuldigungen von sich weist, im Amt.

„Wenn gegen den Präsidenten eines Staates eine polizeiliche Untersuchung unternommen wird“, schreibt Masus in seiner Antwort auf eine Petition des Obersten Gerichtshofs, „die ihm schwere kriminelle Verbrechen“ anhängt, deren Charakter „schändlich“ ist, dann sollte der Präsident eine temporäre Amtsniederlegung erwägen. Masus betonte, dass die Knesset (Parlament) Schritte überlegen muss, um eventuell den Präsidenten abzusetzen, sollte Katzav nicht freiwillig seinen Posten niederlegen. Die Abgeordneten könnten über eine Aufhebung seiner Immunität entscheiden. Der Oberstaatsanwalt will „die Arbeit in den kommenden Wochen fortsetzen“, bevor er endgültig über die Anklage entscheidet.

Nach Veröffentlichung des polizeilichen Untersuchungsberichts besteht kaum noch Zweifel daran, dass Katzav vor einem Verfahren steht. Das Beweismaterial sei ausreichend, „um davon auszugehen, dass der Präsident mehrere Vergewaltigungsakte unternommen hat“. Insgesamt haben sich zehn Frauen gemeldet, die Katzav sexuelle Nötigung und Vergewaltigung vorwerfen. Die Polizei empfiehlt Anklage in fünf Fällen. Nicht eingeschlossen ist die erste der zehn, mit deren Aussage Mitte Juli die Affäre ins Rollen kam.

Oberstaatsanwalt Masus sah bislang davon ab, öffentlich Stellung zu den Vorwürfen gegen Katzav zu beziehen. Mit seiner gestrigen Rücktrittsempfehlung verstärkt sich der Druck auf den Präsidenten. Dieser sieht bislang weitgehend von von Kommentaren gegenüber der Presse ab. An seiner Stelle sprach sein Bruder Lior Katzav von einer „Intrige politischer Gegner“, ohne allerdings Namen zu nennen.

Im Abgeordnetenhaus werden bereits Namen möglicher Nachfolger gehandelt. Neben der Sozialdemokratin Colette Avital gilt der Likud-Politiker Reuven Rivlin als aussichtsreichster Kandidat. Zur Debatte steht auch wieder der inzwischen über 80-jährige Ex-Premierminister und Nobelpreisträger Schimon Peres, der bei der letzten Präsidentschaftswahl im Sommer 2000 gegen Katzav verloren hat. Peres werden allerdings bessere Chancen eingeräumt, sollte die Wahl, wie von seinen Anhängern befürwortet, nicht mehr per geheime Abstimmung vorgenommen werden.

Die übliche Amtszeit des Präsidenten geht über sieben Jahre. Das Kabinett erwägt derzeit den Wechsel zum Präsidialsystem, was die Amtszeit von Katzavs Nachfolger von vornherein auf höchstens drei Jahre, bis zu den kommenden Parlamentswahlen, beschränken würde.