Gefangene OSZE-Mission vorgeführt

GEWALT Der selbst ernannte Bürgermeister der ostukrainischen Stadt Slawjansk will seine westeuropäischen Geiseln gegen inhaftierte Gesinnungsgenossen austauschen. Unter acht Gefangenen der OSZE sind vier Deutsche, die Milizionären als „Spione der Nato“ gelten

AUS GENF ANDREAS ZUMACH

Im Rathaus der ostukrainischen Stadt Slawjansk führten bewaffnete prorussische Milizionäre am Sonntag die von ihnen festgesetzten dreizehn Militärbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) den Medien vor. Darunter sind drei Bundeswehrsoldaten und ein deutscher Dolmetscher. Sie seien „Offiziere im Dienste der OSZE mit diplomatischem Status“, sagte der deutscher Oberst Axel Schneider, der als Sprecher der Gruppe diente. Ihre Festnahme werde zweifellos den Milizen als „politisches Instrument“ bei den Verhandlungen dienen. „Das ist keine Überraschung. Ich kann nicht einfach nach Hause gehen“, sagte Schneider. Ihm zufolge sind die Gefangenen bei guter Gesundheit.

Der Milizführer und selbst ernannte Bürgermeister Wjatscheslaw Ponomarjow von Slawjansk bezeichnete die acht Mitglieder des OSZE-Teams als „Kriegsgefangene“ und „Spione der Nato“. Er verlangte einen „Gefangenenaustausch“ mit von der Übergangsregierung in Kiew inhaftierten Personen. Eine in Slawjansk für gestern erwartete OSZE-Delegation, mit der Ponomarjow über die Freilassung der Militärbeobachter verhandeln wollte, war bis zum Redaktionsschluss der taz noch nicht eingetroffen.

Der festgesetzten OSZE-Mission gehören neben den vier Deutschen jeweils ein Militärbeobachter aus Tschechien, Polen, Schweden und Dänemark sowie fünf ukrainische Soldaten an. Deutschland führt derzeit den Militärbeobachtereinsatz. Er ist mit dem parallel stattfindenden Einsatz ziviler OSZE-Beobachter nicht identisch. Die ersten Militärbeobachter wurden Anfang März auf Basis von bilateralen Vereinbarungen zwischen der Ukraine, Deutschland und den anderen drei Entsendestaaten in die Ukraine geschickt, als sich die Lage auf der Krim zuspitzte. Die damals 51 Offiziere aus 28 Staaten sollten eigentlich die Lage auf der Halbinsel überprüfen, wurden dorthin aber nicht durchgelassen. Mit der Eingliederung der Krim in das russische Staatsgebiet Ende März verlagerten die Inspektoren ihren Einsatz in den Osten und Süden des ukrainischen Festlandes.

Dass die ausländischen Experten bei ihrem Inspektoreneinsatz von ukrainischen Soldaten begleitet werden, ist durchaus üblich. Auch bei Inspektionen in Deutschland sind Soldaten der Bundeswehr anwesend.

Grundlage für den Einsatz von Militärbeobachtern auf Basis bilateraler Vereinbarungen zwischen OSZE-Mitglieder ist das sogenannte Wiener Dokument. Es wurde 1990 beschlossen, zuletzt 2011 ergänzt und bekräftigt und gilt in den 57 OSZE-Staaten vom Atlantik bis zum Ural. In ihm sind Mechanismen verankert, die das Risiko einer militärischen Konfrontation verringern und mehr Vertrauen zwischen den Mitgliedsländern schaffen sollen. Eine Zustimmung Russlands zu der Beobachtermission auf Basis des Wiener Dokuments war nicht erforderlich.

Parallel zu der militärischen Beobachtermission ist seit dem 21. März auf Beschluss aller 57 OSZE-Staaten eine zivile Beobachtermission der Ukraine präsent. Sie soll demnächst auf 200 und langfristig auf 500 Mitglieder aufgestockt werden.