QUEER DEBATTIEREN
: Gaga-Feminismus

Da ist sie wieder: die blonde dünne Frau mit den roten Lippen

Der Abend beginnt mit Lady Gagas „Telephone“. Der Hochglanzvideoclip explodiert schier vor blond gelockter und rot belippter Sexyness. Ich sitze im dunklen Zuschauerraum und lasse die bunte Virginphone-Polaroid-Werbestrecke an mir vorbeiziehen. Hier werden lesbisches Begehren und feministische Revolte so edel und hip in Szene gesetzt, dass es schon gruselig gut ist. Und das alles nur, um ein Handy und eine Fotokamera zu vermarkten, wie in der anschließenden Diskussion erklärt wird. Doch das ist auch schon die Essenz der Debatte, der Rest ist zerfahrenes Suchen nach einer Positionierung von queerem Pop zwischen Mainstream und Underground. Die Diskutierenden können sich nicht einmal auf eine gemeinsame Definition von „Queerness“ einigen. „Feminismus ist heute keine politische Referenz mehr“, schallt es mir von der Bühne entgegen.

Später im Dönerkiosk um die Ecke stehe ich in der Schlange, um mir einen Mitternachtsimbiss zu leisten. „Ich bin aus Mustafa, du Kreuzberger“ steht auf einem Aufkleber am Fenster. Aussagen selbstbewusster Frauen wie in „Prinzessinnenbad“ taugen auch nicht mehr zu feministischer Agitation, sondern nur noch zur Vermarktung von arabischem Fastfood.

Zurück im Dunkeln des Zuschauerraums dröhnen mir die Diskobeats von „Men“ in den Ohren. „Sharing our Love goes on a Credit Card“ – die Menge tanzt und singt lautstark mit. Und da ist sie plötzlich wieder: Die blonde dünne Frau mit den knallroten Lippen scheint sich aus der virtuellen Welt direkt vor mir materialisiert zu haben. Aggressiv beschwingt führt sie vor ihrem Angebeteten einen exaltierten Schautanz vor und rammt mir ohne Rücksicht auf Verluste beständig ihre Minihandtasche in die Seite. Das muss Lady Gaga sein! Dermaßen dreist und ignorant vermarktet nur sie im Rahmen von Queerness ihre Sexualität. ZOÉ SONA