Heuschrecke auf dem Sprung

10.700 einst öffentliche Wohnungen könnten bald erneut den Eigentümer wechseln: Der US-Investor hat scheinbar das Interesse verloren. Kritiker warnen, die Fehler bei der Privatisierung nun bei der Gewoba zu wiederholen

Berichte über einen erneuten Verkauf der beiden Wohnungsbaugesellschaften „Bremische“ und „Beamtenbau“ haben die Diskussion über eine Privatisierung städtischer Immobilien neu angefacht. Der US-Investor Blackstone plant nach Informationen der Financial Times Deutschland, seine erst 2004 erworbenen 10.700 Bremer Wohnungen wieder zu verkaufen. Weder Gesellschafter noch Geschäftsführung dementierten den Bericht. „Wir sind genauso überrascht wie Sie“, sagte der Geschäftsführer der Bremischen, Willi Lehnen. Bei Blackstone hieß es bedauernd: „No Comment“. Der Betriebsrat der Bremischen, der gestern mehrere Stunden zu dem Thema tagte, hüllte sich anschließend in Schweigen.

Sollten sich die Gerüchte zum Blackstone-Verkauf bewahrheiten, wechselten die Gesellschaften bereits zum vierten Mal innerhalb von zehn Jahren den Eigentümer. „Wir sehen uns in unseren Befürchtungen bestätigt“, kommentierte Grünen-Fraktionschefin Karoline Linnert. SPD und CDU hätten bei der Privatisierung einst versprochen, einen „starken Partner“ für den Wohnungsmarkt zu gewinnen. Stattdessen gingen die Immobilien nun „von Heuschrecke zu Heuschrecke“. Wie erwartet habe Blackstone „keinerlei Interesse an einer positiven Entwicklung des Wohnstandorts Bremen“.

„Mich überrascht das nicht“, sagte der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel der taz. Bereits vor anderthalb Jahren hatte er prognostiziert, dass Blackstones 2004 getätigte Investition nur zwei Jahre dauern werde. Damals benötigte das in finanzielle Schwierigkeiten geratene Beteiligungsunternehmen WCM des Bremerhavener Milliardärs Karl Ehlerding dringend einen Käufer für die 10.700 Wohnungen der beiden Gesellschaften. Aus Hickels Sicht könnte das einstige Schnäppchen nun zu normalen Marktpreisen versilbert werden. „Blackstone kann noch auf kurzfristige Spekulationsgewinne setzen“, erklärte Hickel, „der nächste Immobilenfond wird sich wahrscheinlich die Rendite von den Mietern holen“ – konkret: höhere Mieten, weniger Geld für Instandhaltung und Entlassungen in der Verwaltung.

Einen ersten Schritt in diese Richtung ist Blackstone bereits gegangen. Unter der Ägide des US-Finanzinvestors trennte sich die Bremische Anfang des Jahres von allen Stadtentwicklungsaufgaben. Hatte sie sich einst auch um die Modernisierung ihrer Quartiere unter sozial- und umweltpolitischen Gesichtspunkten gekümmert, stutzte sie Blackstone zur reinen Immobilienverwaltung zusammen. „Abseits des Kerngeschäfts interessiert diese Fonds überhaupt nichts“, sagt Dieter Hansen, Prokurist der weiterhin städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gewoba – die damals einsprang und die Stadtentwickler der „Bremischen“ in ein neues Tochterunternehmen übernahm. „Ohne unser Eingreifen wäre dieses Know-How der Stadt komplett verloren gegangen“, erinnert Hansen.

Die nächste Gelegenheit, die Belegschaft der „Bremischen“ erneut zu reduzieren, bietet sich Anfang nächsten Jahres. Dann läuft die Beschäftigungsgarantie aus. Ab 1. Januar 2008 fällt auch die mit der Stadt vereinbarte Bindefrist: Blackstone dürfte die beiden, ehemals öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften an den Meistbietenden verkaufen.

Den Fehler der einstigen Privatisierung, die im Fall „Bremische“ 1997 begann, könne die Große Koaltion zwar nicht mehr rückgängig machen, sagte Linnert. Aber vielleicht ziehe sie daraus Lehren für den mehrfach erwogenen Verkauf der städtischen Gewoba-Anteile.

Ralf Götze