UNERWARTET ZUGENOMMEN
: Der biometrische Pass

Sie passen nicht ins Raster, schimpfte sie

Eine Woche vor der Reise nach Lima schielte ich in meinen Pass. Gültig bis zu einem Datum in fünf Monaten und drei Wochen. Zwei Wochen zu wenig. Um ins ehemalige Inkareich einzureisen, muss der Lappen exakt ein halbes Jahr gültig sein. Erste Recherchen ergaben: a) Es gibt keine Ausnahme von der Regel, b) das Bürgeramt in Neukölln stellt gern einen Expresspass aus. Kosten: 91 Euro.

Ich ging in mich. 91 Euro für einen biometrischen Pass? Denn was beim Personalausweis noch geht – Einspruch gegen die Vorratsdatenspeicherung meiner Fingerabdrücke einzulegen – ist hier unmöglich. Aber ich wollte unbedingt nach Peru und warf jegliche bürgerrechtlichen Bedenken über Bord.

Bevor ich also auf 34.500 Fuß vier Stunden lang von Haiti bis Quito von Turbulenzen durchgeschüttelt werden sollte, galt es noch, an ein Foto zu kommen. Ich versuchte meine Haare so zu legen, dass meine etwas aufgebauschten Wangen darunter verschwanden. Gerüchteweise hatte ich vernommen, dass man sich auf den neuen Passbildern nicht mehr von seiner besten Seite zeigen konnte, sondern stur frontal aufgenommen wurde.

So war es auch. Die Fotografin war ein junge – ich sag jetzt mal nichts Falsches – deutsche Staatsbürgerin. Sie drückte viermal auf den Auslöser. Sie passen nicht ins Raster, schimpfte sie. Auf dem Bildschirm mein verquollenes Gesicht, und ihre Versuche es in eine einem Zielfernrohr ähnelnde Maske zu quetschen. Wir nehmen hier mal etwas Volumen heraus, sagte sie, und ließ mich virtuell schlanker werden. Und ja, der rote Punkt auf der Nase, was ist das? Nehmen wir auch raus. Sie verwischte eine bislang identitätsstiftende Windpockennarbe. Aber geht so ein manipuliertes Foto auch durch, frage ich. Keine Angst, beruhigt sie mich, Sie können ja immer noch sagen, sie hätten in den letzten Tagen unerwartet zugenommen. TIMO BERGER