Wirtschaftweise uneinig

GUTACHTEN Sachverständige sehen Wirtschaft auf Kurs, streiten aber über deutsche Rolle in Europa

BERLIN taz | Die Wirtschaft in Deutschland wird 2010 um 3,7 Prozent und 2011 immer noch um 2,2 Prozent wachsen. Zugleich dürfte es im kommenden Jahr weniger als drei Millionen Erwerbslose geben. Das sagen die fünf Wirtschaftsweisen in ihrem jährlichen Gutachten zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung voraus. Damit liegen sie auf einer Linie mit allen bereits veröffentlichten Prognosen. Bei den wichtigsten Empfehlungen an die Bundesregierung ist die Einigkeit jedoch schon innerhalb des Gremiums dahin. So gibt der Würzburger Professor Peter Bofinger gleich dreimal ein Minderheitsvotum ab. Während die Ratsmehrheit Deutschland keine Verantwortung an den Ungleichgewichten im Euroraum zuweist, wirft Bofinger der deutschen Wirtschaft vor, sich mit zu niedrigen Löhnen Wettbewerbsvorteile verschafft zu haben. Er fordert eine expansive Lohnpolitik und ein Infrastrukturprogramm. Zusätzlich plädiert er für Mindestlöhne. Auch in einem dritten Punkt ist er nicht einverstanden: Die anderen Weisen empfehlen, den reduzierten Mehrwertsteuersatz komplett abzuschaffen und dafür den Regelsatz zu reduzieren. Laut Bofinger lassen Modellrechnungen aber vermuten, dass geringverdienende Familien dabei benachteiligt würden. Zudem erschwere ein einheitlicher Mehrwertsteuersatz mögliche künftige Anhebungen, weil diese direkt auf Haushalte mit niedrigen Einkommen durchschlügen. BW