Dominikus Müller schaut sich in den Galerien von Berlin um

Stephen Willats liebt die Stadt. Nicht irgendeine besondere, sondern alle. Er liebt das Chaos und die verzweifelten Versuche, es zu strukturieren, in Architektur und Stadtplanung. Das denkt man zumindest, wenn man auf die Arbeiten blickt, die der inzwischen beinahe 70-jährige Doyen der britischen Konzeptkunst seit den 1960ern produziert. Denn die kennen am Ende eben meist nur ein Thema: die Stadt als prototypisch-moderne Form der sozialen Organisation, als Modellfall des Zusammenlebens. Und auch in seiner aktuellen Ausstellung in der Galerie Thomas Schulte geht es wie immer nur darum. Überall die typischen Willats’schen Zeichnungen von abstrahierten, bunten Türmen, halb Notationssystem, halb Architekturzeichnung, überall Raster, Diagramme und Verbindungspfeile, die bestimmte Fotografien von Menschen bestimmten Gebäuden zuordnen, ohne dass man genau nachvollziehen kann, warum. Aufgelockert wird das Ganze durch einige Videos, die Willats in Berlin gedreht hat und die zwischen seine kryptischen Zeichnungen projiziert werden: Impressionen vom Kurfürstendamm und dem Alexanderplatz oder einfach der schlichten Vorgabe folgend, „Menschen in Pärchen“ zu zeigen. Das Tolle hier ist, dass sich nicht klar definieren lässt, wem gegenüber sich die Kunst hier wie verhält: Geht es um den Versuch einer Abbildung der Stadt als sozialer Organisationsform, sowohl abstrakt-theoretisch wie auch ganz konkret fühlbar – oder vielleicht doch eher darum, die Möglichkeit beziehungsweise Unmöglichkeit jedes direkten Zugangs vorzuführen? Bietet Willats’ Kunst also ein Parallelmodell zu städteplanerischen und verwaltungstechnischen Modi der Erfassung oder eben doch eher einen gewisserweise ironischen Take auf diese letztlich immer zum Scheitern verurteilten Versuche? Am Ende stimmt wahrscheinlich beides.

■ Stephen Willats: „Street Diagram“, bis 23. Dezember, Galerie Thomas Schulte, Di–Sa 11–18 Uhr, Charlottenstr. 24