Wer soll das bezahlen?

KOSTEN 20 bis 25 Millionen kostet der Polizeieinsatz bei einem Castortransport. Niedersachsen will das nicht länger allein bezahlen, die Bundesregierung lehnt ab

BERLIN taz | Die Bundesregierung sagte den Polizisten am Montag schon mal danke. Genauer: Ihnen gelte, wie Regierungssprecher Steffen Seibert formulierte, „ausdrücklicher Dank und Hochachtung“. Die Regierung sei sich „bewusst, dass die Polizisten einen sehr harten Einsatz, physisch wie psychisch, führen.“ Es ist ein Dank, der einen Streit mühsam überdecken soll.

Denn seit Montag gibt es ein bundesweites Zerwürfnis über die Frage, wer die Kosten für den aufwendigen Einsatz trägt. Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) will einen Lastenausgleich zwischen den Bundesländern. Bislang müsse Niedersachsen allein für die 20 bis 25 Millionen Euro aufkommen, die der Polizeieinsatz je Castortransport koste. „Das ist und bleibt eine Ungerechtigkeit“, sagte der CDU-Politiker. Niedersachsen erfülle eine Aufgabe für die Nation. Sein Kabinettskollege, Innenminister Uwe Schünemann (CDU), wurde konkreter und forderte die Beteiligung des Bundes an den Kosten.

Die Bundesregierung aber denkt nicht daran. „Wir sehen keinen Anlass, die Verteilung der Kosten zu ändern“, sagt Seibert: Das Prinzip sei „seit Jahren das gleiche“, findet auch Stefan Paris, Sprecher des CDU-geführten Bundesinnenministerium. Egal ob Castortransport oder 1.-Mai-Demonstration in Berlin-Kreuzberg – immer würden sich die Bundesländer aushelfen und sich die Kosten für ihre eingesetzten Polizisten gegenseitig in Rechnung stellen. Über die Jahre gleiche sich das aus. Ähnliche Worte fand der bayerische Innenminister Joachim Herrmann.

Rund 20.000 Polizisten sind derzeit im Wendland im Einsatz. Viele klagen über die stundenlangen Einsätze (siehe Seite 3). Es ist neu, dass der Castortransport derart umstritten ist. Umweltminister Norbert Röttgen aber verteidigte ihn: „Wir haben diesen Strom genutzt. Daraus fallen Abfälle an, die Verantwortung begründen. Dieser kann man nicht entfliehen“, sagte der CDU-Mann. Das überzeugt die Atomkraftgegner allerdings nicht. Röttgen steht, just nach dem Wochenende, als er zum Chef der nordrhein-westfälischen CDU gewählt wurde, in der Kritik. „Er und Kanzlerin Merkel verstecken sich hinter Polizisten“, sagte SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber der taz, „Röttgen ist ein Fassadenminister und Exekutivdirektor der Atomlobby.“ Ulla Jelpke (Linke) sagte, die Bundesregierung habe „für ihren atomfreundlichen Kurs keine Unterstützung aus der Bevölkerung“. Die Linke werde wegen des Polizeieinsatzes im Bundestag „eine parlamentarische Aufarbeitung einleiten“.

Die Debatte um die Atommülltransporte müsse neu geführt werden, sagte Grünen-Europapolitikerin Rebecca Harms: „Der Polizeieinsatz ist an seine Grenzen gestoßen.“ Die Transporte könnten zeitlich befristet ausgesetzt werden. Zudem gebe es die Möglichkeit, den polizeilichen Notstand zu erklären und den hoch radioaktiven Atommüll zum nächstgelegenen Zwischenlager bei einem Atomkraftwerk zu bringen. Im Falle Gorlebens wäre dies Krümmel in Schleswig-Holstein.

Doch Röttgen, so kritisierte Harms, schlage Gesprächsangebote in der Region aus. „Ich habe den Eindruck, dass er sich manchmal gerne Sachen vom Hals hält.“ Röttgen hat angekündigt, noch in diesem Jahr ins Wendland zu fahren, nannte aber keinen Termin. Politiker aus der Regierungsfraktion nehmen den Protest der Opposition aber auch so einfach nicht hin.

„Wenn SPD und Grüne mit demonstrieren, finde ich das unglaubwürdig“, sagte der CDU-Abgeordnete Frank Heinrich der taz. Schließlich habe es auch in deren Regierungszeit Castortransporte gegeben. Das hört man in diesen Tagen oft von Unionsleuten. Heinrich hat aber als einer der wenigen in der CDU-/CSU-Fraktion gegen die Verlängerung der AKW-Laufzeiten gestimmt. Die Demonstrationen begrüßt er denn auch: „Ich bin froh, dass Leute in Deutschland auf die Straße gehen dürfen.“ Es müsse aber im legalen Bereich bleiben, Kosten hin oder her.

HANNA GERSMANN, GORDON REPINSKI