Freundlicher Männerblick

Die Ausstellung weiblicher Aktbilder von Bruno Goller bietet sympathische Selbstgenügsamkeit. Und sie zeigt das unbewusste Konzept der Quadriennale: Den männlichen Blick auf alle Physis

VON KATJA BEHRENS

Die Landeshauptstadt ehrt einen ihrer Hauskünstler: Die junge Akademiegalerie am Burgplatz hat anlässlich ihrer Teilnahme an der Quadriennale 06 Aktbilder des lange Jahre in Düsseldorf lebenden und lehrenden Malers Bruno Goller (1901-1998) zusammengehängt. Darauf hinzuweisen, dass es sich um weibliche Akte handelt, erübrigt sich freilich, denn männliche Akte gibt es im Werk des in Gummersbach geborenen und seit seinem Italienaufenthalt 1924/25 in Düsseldorf lebenden Künstlers nicht. Nachdem er zum Wintersemester 1949 an die Kunstakademie Düsseldorf berufen worden war, unterrichtete er erst in der Vor- und Zeichenklasse, dann von 1953-64 als Professor für Malerei. Bruno Goller war ein Lehrer, dessen Klasse zwar erfolgreiche Künstler (wie etwa Konrad Klapheck) entwachsen sind, der aber selber nie große internationale Anerkennung erlangt hat.

Bei der Positionierung seiner Kunst am Markt scheinen die bescheidene Art des eigenbrötlerischen Künstlers, ebenso wie sein beharrliches Festhalten am Gegenstand, die Zugehörigkeit zu einer Avantgardebewegung verhindert zu haben – obschon er im Rheinland auch heute noch recht bekannt und beliebt ist. Die weiblichen Akte seiner gedämpft farbigen, häufig grau- und ockerfarbenen Bilder haben eine sparsame, doch wunderbar sichere Ausdrucksbreite, wirken oft etwas spröde, zumeist aber bei aller Zurückhaltung sympathisch kokett. Sie strahlen keine dralle Erotik oder oberflächliche Sexyness, sondern tiefe Selbstgenügsamkeit aus und vermutlich richtet sich ihr Blick oft gar nicht auf den Betrachter, vielmehr stillvergnügt auf das eigene Spiegelbild. Gerahmt von floralen und geometrischen Mustern kleben die Frauenkörper als Ornamente in den flachen Bildräumen, nebeneinander gelagert und wie in einem Schaufenster ausgestellt konkurrieren sie mit den Hüten und Hutständern, den Schleifen, Tüchern und Stoffen, die um sie her drapiert sind.

Auch wenn sein anfänglich malerischer Stil sich zu einer mehr grafischen Ausdrucksweise verfestigt hat und die Konturlinien der Figuren in den späten Gemälden aufbrechen, ändert sich die Malerei Bruno Gollers in nahezu 75 Jahren nicht wirklich. Auch in dieser Hinsicht erinnert er an Giorgio Morandi. Die Aktbilder Bruno Gollers sind und waren immer schon eigentlich Stilleben, die Frauenkörper, so lieb und harmlos sie von der Freundlichkeit ihres Schöpfers zu erzählen scheinen, sind auf die gleiche Weise gemalt wie die unbelebten Gegenstände. Und somit scheinen auch diese Bilder Teil des ganz großen und ganz alten Konzepts der Konstruktion der Geschlechterordnung, der weiblichen Zurichtungen und Zuschreibungen zu sein.

Es mag ein bisschen paranoid erscheinen, bei einem Künstler wie Bruno Goller einen derart kritischen Blick zu wagen, doch fällt auf, dass die Bilder, auch wenn ihr Motiv der Frauenkörper ist, doch vor allem ein männliches Konzept, einen männlichen Blick offenbaren. Ein System, dass sich etwa auf kunsthistorische Traditionen wie den Kubismus und seinen malerischen Versuch der Rationalisierung und Objektivierung unserer Wahrnehmung beruft. Doch ist es – und das macht Bruno Goller zu einem so sympathischen Künstler – ein den Frauen offenbar freundlich gesonnenes männliches Körperbild, das sich hier zu erkennen gibt. Die Bilder mögen zwar etwas langweilig wirken, ereignis- und spannungsarm und die Lebenseinstellung, von der sie künden, scheint immer schon altmodisch zu sein, und dennoch zeigt diese Kunst ein wunderbares Selbstbewusstsein. Dem männlichen Künstler ist angesichts der nackten Frau nicht bang, die Musen seiner Bilder erfüllen den Künstler offenbar weder mit Schreckphantasien noch mit zerstörerischer Leidenschaft, und sie wecken keine tiefen Ängste in ihm. Denn ihm ist es gelungen, den weiblichen Körper ohne Zwang im freundlichen Ornament zu bannen. Und damit passt sich die Goller-Ausstellung nun doch recht gut in das vermutlich unbewusste Konzept der Quadriennale ein, das Verständnis und die Wahrnehmung von Physis und den künstlerischen Umgang mit deren Bedrohlichkeit als ein männliches Vermögen zu feiern.

Bis 5. November 2006