US-Notenbank in der Kritik

WÄHRUNGSSTREIT II Politiker und Experten sind entsetzt über die Dollar-Abwertung und kritisieren vor dem G-20-Gipfel die Washingtoner Währungspolitik. Brasilien errichtet Dämme gegen Liquiditätsschwemme

BERLIN taz/rtr/afp | Die Währungspolitik der USA stößt vor Beginn des Gipfels der 20 größten Industrie- und Schwellenländer (G 20) weltweit auf Kritik. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht Washingtons Glaubwürdigkeit infrage gestellt: „Es passt nicht zusammen, wenn die Amerikaner den Chinesen Wechselkursmanipulationen vorwerfen und anschließend den Dollarkurs künstlich drücken.

Vergangene Woche hatte die US-Notenbank Fed den Ankauf weiterer Staatsanleihen beschlossen, um so 600 Milliarden US-Dollar in die Wirtschaft zu pumpen. Weil immer mehr Dollar auf den Markt kommen, sinkt deren Wert. Experten warnten daraufhin vor drohenden Inflationsgefahren sowie vor einer Liquiditätsschwemme. Nach Ansicht des Geldpolitikexperten des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Joachim Scheide, agierten die USA bei der Geldpolitik mittlerweile „fast panikartig“. Zugleich scheine es, „als wiederholten sie den Fehler, der 2007 über die Immobilienblase in die globale Finanzkrise mündete“. Auch Oliver Holtemöller, Leiter Makroökonomik am Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IH), warnte vor negativen Auswirkungen. In einer Art Spirale folge eine Abwertungsmaßnahme der nächsten, der Protektionismus nehme zu, und Kapitalverkehrskontrollen würden eingeführt oder verschärft.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will die deutsche Kritik auch auf den G-20-Gipfel tragen. Den Vorstoß der USA, zum Abbau globaler Ungleichgewichte konkrete Grenzen für Handelsüberschüsse und -defizite zu vereinbaren, lehnt man im Überschussland Deutschland hingegen vehement ab. Die Politik könne Leistungsbilanzziele gar nicht fernsteuern, hieß es aus Berlin.

Fed-Chef Ben Bernanke verteidigte am Wochenende seine Politik. „Es geht uns nicht darum zu versuchen, Inflation zu schaffen“, erwiderte er auf die Kritik, die USA versuchten durch die Dollar-Entwertung gleichzeitig auch ihre Schulden zu entwerten. „Unser Ziel ist es, für zusätzlichen Schub zu sorgen, damit sich die Wirtschaft erholen kann.“ Sobald dies der Fall sei, würde der Dollar schon wieder an Wert gewinnen.

So lange will Brasilien nicht warten. Weil es auf US-Wertpapiere kaum noch Zinsen gibt und weil überdies der Wert des US-Dollar im Sinken begriffen ist, investieren immer Anleger in Brasilien, wo die Renditeerwartungen höher sind. Das treibt wiederum den Kurs der Landeswährung Real nach oben – um 7 Prozent seit Juni – mit höchst negativen Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit der brasilianischen Exportwirtschaft. Jetzt errichtete die Regierung in Brasília neue Dämme gegen die Geldschwemme aus dem Ausland: Ausländer müssen künftig für den Kauf brasilianischer Staatsanleihen 15 Prozent Steuern zahlen. LIEB

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