Arztbesuch gegen die Verwahrlosung

„Jedes Kind muss das Recht haben, dass es einmal von einem Arzt begutachtet wird“, sagt die schleswig-holsteinische Grüne Monika Heinold. Ihre Fraktion will den Arztbesuch für zweijährige Kinder zur Pflicht machen

Sie heißen „Schutzengel“: Speziell geschulte Hebammen, die bis zu einem Jahr nach der Geburt Familien besuchen und schauen, ob es dem Neugeborenen gut geht. Läuft etwas schief – zum Beispiel weil die Hebamme soziale Probleme erkennt – kann sie sich an Fachleute wie Ärzte oder das Jugendamt wenden. In Flensburg wurde dieses Modell mit Erfolg getestet, seit diesem Sommer beteiligen sich alle Kreise und Städte in Schleswig-Holstein daran. „Es ist bundesweit einmalig, dass so etwas flächendeckend umgesetzt wird“, sagt Sabine Toffolo, im Gesundheitsministerium zuständig für das Projekt. Das Land beteiligt sich mit 20.000 Euro pro Kreis, die Förderung ist für drei Jahre gesichert.

Ein Ansatz, um Missbrauch oder Misshandlungen von Kindern zu erkennen – aber reicht er aus? Nein, sagt Monika Heinold von der Grünen-Fraktion. Ihre Partei hatte bereits im Januar einen Gesetzesentwurf eingebracht, um eine verbindliche ärztliche Untersuchung einzuführen. „Jedes Kind muss das Recht haben, dass es einmal von einem Arzt begutachtet wird.“

Um es den Eltern leicht zu machen, sollte die Pflicht-Untersuchung an die übliche von den Krankenkassen bezahlte Kontrolle der Zweijährigen angekoppelt werden. 95 Prozent der Eltern nutzen die regelmäßigen Termine ohnehin, es würden also keine großen Zusatzkosten auftreten, argumentiert Heinold. Nur die rund fünf Prozent der Familien, die nicht regelmäßig Kontakt zum Kinderarzt haben, müssten zusätzlich aufgefordert werden: Ihre Kinder sollen dann vom Gesundheitsamt untersucht werden. Ein Anreiz für den Arztbesuch wäre, dass das Gesundheitsamt für die Kontrolle Geld verlangt, während sonst die Krankenkasse zahlt. Das Verfahren bedeute etwas höheren Personalaufwand in den Ämtern, sagt Heinold, aber: „Heute werden die Daten zum Schuljahresbeginn aufgenommen, es müsste also schon früher möglich sein.“ Nicht jeder Fall von Verwahrlosung ließe sich über die Untersuchung der Zweijährigen aufdecken, weiß die Politikerin: „Aber es wäre eine Kontrollinstanz mehr.“

Im Landtag scheiterte der Gesetzentwurf in der ersten Lesung, im Sozialausschuss sprachen sich Fachleute dagegen aus: Der Vorschlag sei insgesamt nicht weitreichend genug. Andere Verfahren wären teurer und stoßen an juristische Grenzen: Das Elternrecht ist ein hohes Gut. Also passierte bisher nichts. Immerhin soll das Gesetz im November zurück in den Landtag.ESTHER GEISSLINGER