KOMMENTAR VON BERND PICKERT
: Sieg des destruktiven Denkens

Das Misstrauen gegen den Staat hat in der Tea Party radikale Züge angenommen

Nicht einmal die Hälfte ihrer Kandidaten konnten die „Tea Party Patriots“ bei den Kongresswahlen durchbringen. Und doch feierten die Anhänger dieses Dachverbands, dem rund 1.000 Basisgruppen angehören, am Dienstagabend in Washington ihren Sieg.

Zu Recht. Die Bewegung hat es nicht nur geschafft, mit ihren Forderungen nach einem kleineren Staat, weniger Staatsausgaben und Widerstand gegen Obama das Programm der Republikaner zu prägen. Dass sie mit schrillen Demonstrationen, rassistischen Untertönen und teils absurden Forderungen auch diese Wahl für sich entscheiden konnte, ist ein regelrechtes Drama.

Die Tea Party hat ihr Ziel schon erreicht, wenn die Republikaner im Kongress erfolgreich verhindern, dass Barack Obama weitere Reformen durchsetzt. Als Denkrichtung aber könnte sie die Republikanische Partei noch weiter aufmischen. Sie ist gegen jegliche Agenda, die dem Staat eine größere Gestaltungsmacht zuweist. Die Wahlniederlage der Demokraten ist damit auch ein Menetekel für die Reformfähigkeit der USA.

Das tiefe Misstrauen gegen die Regierung in Washington, das den politischen Diskurs der USA seit je prägt und sich nicht nur auf konservative Kreise beschränkt, hat in der Tea Party seine dröhnendste Form angenommen. Innere Widersprüchlichkeiten stören sie nicht. Denn auch wenn Tea-Party-Anhänger immer wieder fordern, den Einfluss der großen, finanzstarken Lobbygruppen in Washington einzudämmen, so treten sie zugleich für eine Agenda ein, die genau diesen Interessen dient. Schließlich spielen Deregulierung und ein schwacher Staat den Großkonzernen in die Hände. Kein Wunder, dass einige einflussreiche Milliardäre die Tea Party finanzieren.

Die Tea Party knüpft an eine Alltagserfahrung vieler US-Amerikaner an: Jeder in diesem Land hat Geschichten über die Verschwendung staatlicher Gelder zu berichten. Daraus zieht sie den Schluss, der Staat gehöre am besten einfach abgeschafft – und mit ihm jegliche Verpflichtung auf das Gemeinwohl. Ein Wahnwitz.

Im Kongress können die Republikaner nun in den nächsten zwei Jahren jede Politik blockieren. Diese Destruktivität ist ihr erklärtes Ziel. Es wird die große Aufgabe der Demokraten und Präsident Obamas sein, dem eine neue, konstruktive Erzählung entgegenzusetzen, die sein verunsichertes Land in den nächsten zwei Jahren wieder zur Besinnung bringt.