Kultur-Boykott ohne Wirkung

BESETZTE GEBIETE Das Kulturzentrum in der israelischen Siedlung Ariel steht kurz vor der Eröffnung. Der von zahlreichen Künstlern betriebene Boykott ist ins Leere gelaufen

„Es ist das einzige Kulturzentrum östlich von Tel Aviv“, sagt Avi Zimmermann

AUS ARIEL SUSANNE KNAUL

Die palästinensischen Bauarbeiter in der Siedlung Ariel legen letzte Hand an das neue Kulturzentrum an. Sie liegen gut in der Zeit, die Treppe zum Eingang ist frisch verlegt, die Fenster im künftigen Theatercafé sind eingesetzt. Anfang November soll Eröffnung sein. Die Stimmung ist entspannt unter den Bauarbeitern, genau wie in dem kleinen Büro des Theaterdirektors. „Piaf“ steht als erste Vorstellung auf dem Programm. Trotz des Boykotts einer Reihe von Schauspielern war eine Änderung des Spielplans nicht nötig. Die Künstler hatten Ende August angekündigt, die Bühne in Ariel niemals zu betreten.

„Der Boykott kommt uns nur gelegen“, frohlockt Avi Zimmermann. Der Chef der „Stiftung für die Entwicklung von Ariel“ übernimmt die Verwaltungsangelegenheiten, wenn der Theaterdirektor außer Haus ist. „Wir haben noch nicht eröffnet und doch weiß die gesamte Welt, dass es uns gibt.“ Zimmermann freut sich sichtlich über die „PR-Kampagne, die die Stadt keinen Schekel gekostet hat“.

Stolz führt der Endvierziger durch die noch nach Farbe und Baustaub riechende Eingangshalle. 500 Plätze fasst der Hauptsaal des Theaters. Im obersten Stockwerk gibt es eine zweite kleine Bühne für die Proben der städtischen Laienschauspielgruppe und Filmvorführungen. Etwas großspurig gibt sich das Kulturzentrum, das in fernerer Zukunft auch ein Konservatorium und Kunststudios beherbergen soll, schon für die kaum 20.000 Einwohner zählende Stadt. „Es ist das einzige Kulturzentrum östlich von Tel Aviv“, sagt Zimmermann. „Östlich von Tel Aviv“ liegt, von einigen kleinen israelischen Ortschaften abgesehen, das Westjordanland. Das Kulturzentrum in Ariel soll Anlaufstelle für gut 50.000 Siedler in der Region sein.

Für den Schauspieler Jossi Pollack war von Beginn seiner Karriere an klar, dass er auf der Bühne einer israelischen Siedlung niemals spielen würde. Nur ein einziges Mal habe er die sogenannte Grüne Linie zum Westjordanland überquert. Damals war sein Sohn bei einer Demonstration gegen die Trennanlagen festgenommen worden. „Ich habe ihm etwas Essbares gebracht, als er in Untersuchungshaft saß.“ Dass der Boykott möglicherweise kontraproduktiv ist, interessiert den Künstler nicht. „Es geht hier nicht darum, ob wir einen Fehler machen oder wer den Sieg davonträgt“, sagt er. „Ich fahre dort nicht hin.“ Pollack, der heute zum Ensemble des Tel Aviver Kameri-Theaters gehört, macht sich keine Illusion über das Ausmaß des Boykotts. „Mir ist klar, dass die meisten auftreten werden, vor allem Sänger.“ Zwei Stücke des Kameri-Theaters stehen auf dem Spielplan in Ariel. „Keiner der Schauspieler, die bei den Stücken mitspielen, unterstützt den Boykott.“

14 Stücke sind für die kommende Saison geplant, acht für Erwachsene und sechs Vorstellungen für Kinder, dabei sind alle renommierten Theater vertreten, das Habima-Theater und das Khan-Theater aus Jerusalem, das Haifaer Theater und das Ensemble aus Beerschewa. „Wir sind uns völlig klar darüber, mit einem einzigen Akt politische Realitäten nicht verändern zu können“, resümiert die Dramaturgin Vardit Shalfi, Mitinitiatorin des Boykotts. Immerhin habe die Aktion die öffentliche Debatte darüber wieder in Gang gebracht, „dass die Siedlungen illegal sind“, sagt Shalfi. „Schon ihre Existenz verstößt gegen internationales Recht.“