Der Teufel rennt beim Marathon mit

Abgründe in der okkulten Jugendszene: Helmut Frangenberg schrieb einen blutrünstigen Kriminalroman

Woran kann es liegen, wenn nicht nur Tausende bei einem Köln-Marathon angestrengt durch die Stadt rennen, sondern am Rande auch noch ein spektakulärer Polizeieinsatz stattfindet? Die Antwort findet sich im neuen Kriminalroman „Marathon“, den der Kölner Journalist Helmut Frangenberg geschrieben hat. Er malt ein eindrucksvolles wie emotionales Bild der Marathon-Szenerie, während er parallel eine äußerst spannende Mord-Story entwickelt. So fesselt das Buch bis zur letzten Seite.

Man braucht schon starke Nerven, als der erste Mord im „Marathon“ geschieht. Auf bestialische Weise wird ein Mann getötet. Blut fließt viel, der Mörder ist nicht zimperlich. Was hinter der feigen Attacke steckt, ist den Ermittlern ein Rätsel. Beim zweiten Mord ist das nicht anders. Doch die Nachforschungen führen die Kripobeamten in eine okkulte Jugendszene, in die die Ermoderten vor Jahrzehnten verwickelt waren. Realistisch, detailgetreu und erschreckend schildert Frangenberg diese Satansanbetungen – ohne den moralischen Zeigefinger zu heben. Letztlich zeigt seine Geschichte aber doch, wie extrem gefährlich jugendliche Träumereien vom Teufel werden können.

Bei der Suche nach dem blutrünstigen Mörder werden geschickt unterschiedlichste Spuren gelegt. Stück für Stück erschließen sich die menschlichen Gruppen mit all ihren Abgründen. Da sind die Polizisten, die mit sich und ihrem Job zuweilen alles andere als zufrieden sind. Wer kann es einem Beamten verdenken, dass er den Kölner Polizeipräsidenten nicht gerade dafür liebt, dass er die Vorliebe habe „möglichst viele Autofahrer von möglichst allen Polizisten dieser Stadt nach ihren Papieren fragen zu lassen“. Im Gegenzug träumt der kleine Kripomann davon, den Präsidenten zu seiner Geburtstagsfeier einzuladen, ihn dort zu beschimpfen und „ihn anschließend zu verprügeln und dann selbst aus dem Fenster zu springen“. Fatalistische Phantasien, die so manchen Autosündern oder genervtem Verkehrsteilnehmern aus der Seele sprechen dürften.

Die Vergangenheit der Ermordeten und die Realität der Verdächtigen öffnet ebenfalls Fenster, durch die die Leser neugierig in andere Welten starren dürfen. Abgründe tun sich auf unter Menschen, die Schlimmes erlebt haben und deshalb mit dem Leben hadern. Beim Eintauchen in diese Szenerien erlebt man eine emotionale Achterbahn, die Lust auf mehr macht. Wer da nicht mitdenkt, ist selber schuld - oder hat zu schwache Nerven für die zuweilen eben brutale Handlung. Zur Erholung gibt es dann aber immer wieder auch freche Schilderungen des Erscheinungsbildes der “weniger sportlichen Möchtegern-Marathonis“, wie Frangenberg eine Vielzahl der Teilnehmer des langen Laufes nennt: „Es stank widerlich nach feuchtem Polyester und Schweiß.“ Und: „Kurz vor dem Start sahen sie alle noch aus wie Menschen. Schon bald würden die ersten unterwegs ihre Würde verlieren, sich freiwillig vor Publikum demütigen.“

Es ist die legere Haltung, die diesem Werk seinen besonderen Touch gibt. Frangenberg beschreibt nicht einfach, er lässt lebendige Figuren entstehen. Dabei verwöhnt er seine Leser auch mit kreativen Wortschöpfungen, die Gedankenspiele gekonnt auf den Punkt bringen. Schließlich muss man auf den Begriff „Hirnmist“ erst mal kommen. Und ein Stück Kölsche Lebensphilosophie hat der „Kölner Stadt-Anzeiger“-Redakteur Helmut Frangenberg in seinem Krimi auch versteckt: „Köln ist ein Dorf voller Größenwahnsinniger, die das Nebensächliche lieben und alles Wichtige ignorieren, weil es ihnen zu anstrengend ist, darüber nachzudenken“, lässt er eine seiner Figuren sagen. In der Tat: Der Marathon in seinem hier beschriebenen Detailreichtum stützt diese These, die durchaus auch für andere Lebensbereiche des gesellschaftlichen (oder politischen) Leben Kölns gelten dürfte. FRANK ÜBERALL

Helmut Frangenberg, MarathonEmons Verlag, 240 Seiten, 9 Euro