SOUNDSCAPE MRT
: Die Röhre wummert

„Alles in Ordnung“, sagt er. „Da ist nichts Auffälliges zu entdecken“

„Sie müssen still liegen bleiben“, erklärt mir der Mann im weißen Kittel. „Sobald Sie sich bewegen, ist das Bild verwackelt, und wir müssen von vorne anfangen.“ Dann schiebt er mich in die Röhre. Zwanzig Minuten, denke ich – und wenn du wackelst, weil’s dich vielleicht am Ohr juckt oder du niesen musst, wird das Bild unscharf.

Ich erinnere mich an frühere Familienfeiern, als dreißig und mehr Leute stocksteif fürs Foto posieren mussten, und dass sich das ungefähr genauso anfühlte wie jetzt. Nur eben im Stehen. Dagegen ist das Liegen hier im Tunnel schon angenehmer. Auch weil weit und breit keine Tante da ist, die dir noch schnell die Frisur zurechtstreicht.

Ich habe die Augen geschlossen, einen Lärmschutzkopfhörer auf und außerdem eine Art Buzzer in der Hand, auf den ich im Notfall drücken kann. Dann geht es los. Maschinenartige Geräusche, mal stakkatoartig gehämmert, dann einfach bloß brummend und wummernd. Technosound vom Feinsten, denke ich. Für Elektrofreaks muss so eine Röhre das Größte sein. Und ein Rezept fürs MRT wie eine Art Konzertticket.

Auf einmal erkenne ich „Firestarter“ von Prodigy. Kurz drauf kommen die Krupps, DJ Motte und schließlich der Anfang von „Gamma Ray“, dem Birth-Control-Song aus den 70ern. Unterschiedliche Lieder jagen plötzlich durch die Röhre, und ich spüre deutlich den Buzzer in meiner Hand. Aber ich darf nicht drücken, auch wenn ich jedes Lied bereits nach wenigen Takten erkenne. Einloggen? Ja, bitte – einloggen.

Kurz darauf sind die zwanzig Minuten rum, und ich sitze beim Arzt zur Besprechung. „Alles in Ordnung“, sagt er. „Da ist nichts Auffälliges zu entdecken.“ Auch wenn ich das instinktiv gleichfalls geglaubt hatte, erleichtert bin ich trotzdem. Und bin mir sicher, dass der letzte Song von den Einstürzenden Neubauten war.

JOCHEN WEEBER