DIE GESELLSCHAFTSKRITIK
: Liegen und liegen lassen

Was sagt uns das? Der Münchner Stadtrat hat eine Verordnung erlassen, die regeln soll, wo man sich öffentlich ausziehen darf

Das war knapp: In wenigen Wochen startet die neue Badesaison, in München werden sich die Nackerten wieder im Englischen Garten ausbreiten, und beinahe hätten sie sich dabei im rechtsfreien Raum gesonnt.

Die Badeverordnung des bayerischen Innenministeriums war im vergangenen Herbst nach zwanzig Jahren ausgelaufen. Wo sich die Nudisten in der Landeshauptstadt ausziehen dürfen, war seitdem nirgends niedergeschrieben. Hätte der Münchner Stadtrat in seiner jüngsten Vollversammlung nicht reagiert und nach monatelanger Rechtsunsicherheit endlich eine kommunale Badekleidungsverordnung beschlossen – an den ersten Sonnentagen wäre auf den Liegewiesen der Stadt das pure Chaos ausgebrochen. Oder am Ende etwa doch nicht?

Die Nackerten im Englischen Garten sind eine Münchner Institution. Sogar in Reiseführern sind sie verzeichnet. Obwohl sie nicht viel machen, außer eben: nackt im Park rumzuliegen.

Sonderlich ansehnlich sind die wenigsten von ihnen, die Freikörperkultur hat ein Nachwuchsproblem, aber daran stört sich der gewöhnliche Textil-Münchner nicht. Im Gegenteil: In einer so sorgfältig herausgeputzten Stadt wie München hat ein verrunzelter Penis hier und da fast etwas Beruhigendes. Beschwerden über die Nackerten gehen bei den Behörden äußert selten ein. Liegen und liegen lassen, das funktioniert ganz gut. Dafür braucht es keine achtseitige Badebekleidungsverordnung, die im Behördendeutsch feststellt, was in München eh jeder weiß: Im Englischen Garten dürfen sich die Nackerten gerne ausziehen. TOBIAS SCHULZE