Komponieren für ein anderes Europa

LOBGESANG Das 6. taz.lab im Haus der Kulturen der Welt nimmt Europa, die EU und das Europäische als solches unter die Lupe. Und präsentiert dazu auf der taz.gala Vorschläge für eine alternative Europahymne

Wie könnte eine alternative Europahymne klingen? Kandidaten werden auf der taz-Gala im Haus der Kulturen der Welt präsentiert und ein Sieger bestimmt – per Applausometer. Am Wettbewerb beteiligt sind: The Polyversal Souls, Kat Frankie, Marc Weiser, Frieder Butzmann, Molly Nilsson, Infinite Livez, Erfolg, Cellolitis und Pralla Soundsystem. Der Preis für die beste Hymne bleibt vorerst noch geheim.

■ taz-Gala: 12. 4., HKW, Auditorium, John-Foster-Dulles-Allee 10, 20 Uhr, www.tazlab.de

VON JURI STERNBURG

„Kennen Sie die inoffizielle Europahymne?“ Die Frage überfordert die meisten. Zum Glück scheitert ein Großteil der Schüler in Deutschland bereits bei der eigenen Nationalhymne, wie soll man sich denn dann noch die Melodie einer weiteren Hymne merken?

Ein paar Menschen kennen zwar die Eurovisionshymne, nämlich Antoine Charpentiers „Te Deum“, aber das war es dann auch. Wer weiß schon, dass es sich bei der Europahymne um das Hauptthema aus dem letzten Satz der 9. Sinfonie Beethovens, die „Ode an die Freude“, benannt nach dem darin vertonten Gedicht Friedrich Schillers, handelt. Und vor allem: Muss man so was wirklich wissen?

Der Europarat nahm 1972 die Melodie als eigene Hymne an und beauftragte den Dirigenten Herbert von Karajan mit dem Arrangement dreier Versionen: einer Solopiano-Version sowie je einer Orchester-Fassung für Blas- und für Sinfonieorchester. Selbstverständlich wird die Hymne ohne Text gespielt, man müsste sich ja sonst auf etwas einigen, das fällt in Europa generell schwer. Einst gab es den Vorschlag der Europäischen Bürgerinitiative, eine Esperanto-Übersetzung von Beethovens Chorfassung als Text einzusetzen, die Europäische Kommission lehnte dies jedoch ab.

Der Sieger wird von den Zuschauern per Applausometer bestimmt

Die taz.gala oder auch „Gala der alternativen Europahymnen“ versuchte sich nun unter anderem an der Lösung dieses Problems und lädt im Haus der Kulturen der Welt im Rahmen des alljährlichen taz-labs bekannte (vorwiegend) Berliner Künstler aus dem popkulturellen Spektrum ein, ihre ganz eigene Vision einer modernen Hymne zu komponieren und im großen Auditorium des Hauses live zu präsentieren. Dabei wird sicher auch die Frage aufkommen, ob man Hymen überhaupt braucht und wie man mit ihnen umgehen sollte: ihnen kreativ zu begegnen, ist sicherlich ein richtiger Ansatz.

Kreativ geht das Ganze dann auch vonstatten: Es wird die Originalhymne vorgespielt, die Eurovisionsmelodie gecovert und die Künstler stellen ihre eigenen Visionen einer potentiellen modernen Hymne vor.

Dabei sein werden: Ausnahmeschlagzeuger und Arrangeur Max Weissenfeldt mit seiner Big Band The Polyversal Souls; die preisgekrönte australische Songwriterin und Chanteuse Kat Frankie; Rechenzentrum-Gründer und Zeitkratzer-Mitglied Marc Weiser; Industrial-Pionier und Dada-Performancekünstler Frieder Butzmann; die schwedische Synth-Pop-Ikone Molly Nilsson; der Londoner Beatproduzent und Rapper Infinite Livez; Johannes von Weizsäckers neues Projekt Erfolg inklusive des „besten Damenchors aller Zeiten“, der Post-Rock-Cellist Nikolaus Herdieckerhoff, auch bekannt unter dem Namen Cellolitis, sowie das neunköpfige Band-Kollektiv Pralla Soundsystem, das mit seiner Mischung aus HipHop und Balkan Beats ein komplett neues Licht auf das Thema Europahymne werfen wird.

Der Sieger wird von den Zuschauern im Auditorium per Applausometer bestimmt. Einen Preis wird es ebenfalls geben, dieser unterliegt jedoch noch strenger Geheimhaltung. Auch das weitere Programm des taz.labs kann sich sehen lassen: Mehr als 200 Referierende zu sechs Dutzend Veranstaltungen – Lesungen, Debatten, Gespräche, Filme, Foren, Arenen, eine Gala sowie zwei außerordentlich fröhliche DJs, die aus der Nacht des taz.lab 2014 ein „Let’s Dance Europa“ machen werden.

Der Europarat nahm 1972 die Melodie von Beethoven als eigene Hymne an

Neben einigen Panels zu hochaktuellen politischen Fragen der Jetztzeit – zum (Rechts-)Populismus, zur Ukraine, zur „Orbanisierung“ Europas, zur NSA-Snowden-Krise – gibt es eine Fülle von Angeboten zur Nahbarkeit dessen, was wir Europa nennen: Nachbarschaft, Heimat, Demokratie, Partizipation, Sicherheit.

Mit der Solidarität meinen wir es ernst – was das im europäischen Kontext bedeutet, wollen wir mit Ihnen herausfinden. Stellen Sie sich das taz.lab wie eine belebende Dusche für Ihre Gedanken vor. Als Startpunkt für ein neues europäisches Bewusstsein.