„Man muss genau hinsehen“

Heute wird über Armut in Hamburg gesprochen

■ 48, ist Sozialarbeiter, politischer Sprecher bei Hinz&Kunzt und seit Jahren als „Lobbyist für die Schwächsten“ aktiv. Foto: privat

taz: Herr Karrenbauer, warum sehen wir in Hamburg die Armut nicht?

Stephan Karrenbauer: Wer einmal am Samstag nach Wilhelmsburg fährt, kann die Armut sehen. Dort entsteht jedes Wochenende eine lange Schlange vor der Ausgabe der Hamburger Tafel. Man muss nur genau hinschauen.

Die Arbeitslosigkeit in der Stadt ist deutlich zurückgegangen …

Ja, aber nicht bei den rund 200.000 Langzeitarbeits- und teilweise Wohnungslosen.

Warum nicht?

Die Stadt hat es versäumt, diese Gruppe für den ersten Arbeitsmarkt fit zu machen. Statt in Fortbildungen zu investieren, hat man die Arbeitssuchenden mit kurzfristigen Ein-Euro-Jobs versorgt. Dass diese Stellen weitestgehend besetzt sind, zeigt aber, dass die Arbeitslosen wirklich arbeiten wollen.

16 Prozent der Hamburger sind angeblich armutsgefährdet. Glauben Sie, dass sich die Lage in den nächsten Jahren ändern wird?

Ja, denn der Mittelstand entdeckt langsam den Protest für sich. Auch Bürger, die sich bisher nie dafür interessiert haben, gehen jetzt auf die Straße. Es findet eine neue Politisierung statt. Hierin steckt Potenzial, denn die Politik wird das nicht dauerhaft ignorieren können. INTERVIEW: HEN

„Das Phantom der Hansestadt – Armut in Hamburg“ findet ab 19 Uhr in der Hamburger Botschaft, Sternstraße 67, statt. Es diskutieren u. a. Dirk Kienscherf (SPD) und Wolfgang Völker, (Diakonisches Werk Hamburg). Anmeldung unter www.julius-leber-forum.de