Am Gegner liegt es nicht

Während uns die Bundesliga zu Tode langweilt, gibt der WM-Dritte mal wieder sein Bestes und empfängt Georgien – um nicht öde Fußball zu verwalten, sondern uns mit seinem Spiel zu beleben

von andreas rüttenauer

Kakha Kaladze ist der Kapitän der georgischen Nationalmannschaft. Er steht beim AC Mailand unter Vertrag, manchmal darf er sogar spielen. Deshalb ist der Verteidiger der Superstar des georgischen Fußballs. Aber auch er konnte, genauso wie seine Landsleute, die es bis in einen Bundesligavertrag geschafft haben – wie Lewan Kobiaschwili mit Schalke 04 –, nichts am Ruf des georgischen Fußballs ändern. Der ist nicht unbedingt der beste. Niemand interessiert sich besonders für die Mannschaft aus dem christlichen Orient. Und dennoch herrscht vor dem Länderspiel heute Abend in Rostock (20 Uhr, ZDF) Vorfreude im Land des WM-Dritten. Deutschland spielt gegen Georgien, und beinahe jeder schaut hin. Am Gegner liegt es nicht.

Noch vor einem Jahr wendeten sich selbst hartgesottene Dauerfußballkonsumenten ab, wenn eine deutsche Nationalmannschaft sich anschickte, ein Länderspiel gegen eine Mannschaft ohne Weltruhm auszutragen. Am 3. September 2005 spielten die Deutschen in Bratislava gegen die Slowakei – und verloren 0:2. Ein völlig entgeisterter Franz Beckenbauer fragte sich nach dem Spiel, warum man sich das traurige Gastspiel eigentlich angetan habe. Kaum Zuschauer im Stadion, zwei Gegentore und die pure Unlust. „Das macht doch keinen Spaß“, so des Kaisers Kommentar damals.

Am Mittwoch treten die Deutschen wieder in Bratislava an. Doch die Stimmung ist eine gänzlich andere als vor einem Jahr. Die Nationalmannschaft hat sich vor dem Georgienspiel in Berlin versammelt. Fast jeder, der irgendwie konnte, ist auch gekommen. Nur die wirklich Verletzten blieben zu Hause. Per Mertesacker hat Bundestrainer Joachim Löw nach dessen langer Verletzungspause ein paar Tage Aufbautraining in heimischer Umgebung zugestanden. Jeder glaubt, dass dem Per das wirklich guttut. Niemand kann sich vorstellen, dass einer nicht zum Nationalteam kommt, weil er gerade keine Lust auf den Adler auf der Brust hat.

Es ist noch gar nicht lange her, da hagelte es vor scheinbar unwichtigen Freundschaftsspielen Absagen. Plötzlich machten die Muskeln zu, Grippeviren fesselten Spieler ans Bett und die Vereinsmanager schrien lauthals auf, wenn zu viele ihrer Profis den Ruf ins Nationalteam erhielten. Im April 2004 trat die deutsche Nationalmannschaft in Rumänien nach der Absage eines Gutteils der wichtigsten Spieler mit einer wahren B-Elf an – und verlor 1:5. Heute heißt der Gegner Georgien, und Michael Ballack spürt dennoch kein Zwicken in der Wade.

Joachim Löw hat wieder drei Neulinge für die Spiele gegen Georgien und die Slowakei nominiert. Das gilt in diesen Tagen als Zeichen einer goldenen Zukunft. Neulinge wie Frank Fahrenhorst oder Andreas Görlitz, die vor zwei Jahren debütiert haben, galten seinerzeit höchstens als Notlösungen. Manuel Friedrich oder Pjotr Trochowski dagegen stehen für den anhaltenden Aufschwung deutscher Spielkultur.

Die Stimmung hat sich fundamental geändert, was die Nationalmannschaft betrifft. Die Bundesligatrainer haben ihre Spieler auch deshalb bisweilen so ungern zum Nationalteam reisen lassen, weil die dann schlecht gelaunt, von Medien und Öffentlichkeit lauthals kritisiert, insgesamt einfach verunsichert zu ihren Clubs zurückgekehrt sind. Heute gilt die Auswahlmannschaft als Gesundbrunnen für in der Liga geschundene Fußballerseelen. Lukas Podolski, bei den Bayern Reservespieler, wird im Kreise der DFB-Auswahl sofort zum Gute-Laune-Bären, ebenso knuffig wie Bastian Schweinsteiger, der es bei den Bayern auch nicht immer leicht hat. Doch es liegt nicht nur an den zwei Gaudimaschinen, dass die Nationalmannschaft derzeit in ist.

Auch die Art, Fußball zu spielen, wie sie von den Deutschen seit Juni zelebriert wird, hat dazu beigetragen. Jürgen Klinsmann und Joachim Löw ist es gelungen, Mannschaften aufs Feld zu schicken, die imstande sind, Ideen des Trainers umzusetzen. In der Liga hingegen stellen die meisten Trainer ihre Teams so auf, dass die Spieler ja nicht überfordert werden.

In der Liga müssen Schweinsteiger und Podolski Fußball verwalten. In der Nationalmannschaft dürfen Schweini und Poldi spielen. Das kommt an – auch wenn der Gegner Georgien heißt.