Im Schutz des Betonriesen

Unerforschte Architektur: Das Kölner NS-Dokumentationszentrum zeigt 50 Fotografien von Bunkern. Wo Menschen früher Zuflucht suchten, wurden inzwischen Kulturzentren und Wohnungen errichtet

VON JÜRGEN SCHÖN

„Keine Spur von Leben, nichts. Nur eine verweste Katze“, staunt Fotograf Wolfgang F. Meier noch heute, wenn er von seiner Arbeit in Kölns Bunkern berichtet. Tot sei es darin gewesen, still und dunkel und feucht. Manchmal habe es ausgesehen, als wären die Schutzräume gerade erst verlassen worden. Ein Jahr lang tauchte er damals mit Marion Mennicken und Helmut Buchen in diese verborgene Welt ein; es entstanden mehr als 400 Fotos, zumeist schwarz-weiß, Außen- und Innenansichten.

50 davon sind jetzt im Kölner EL-DE-Haus, dem NS-Dokumentationszentrum, zu sehen. Trotz ihrer Nüchternheit vermitteln sie etwas von Enge und Schrecken, denen die Menschen vor mehr als 60 Jahren ausgesetzt waren, als sie hier Schutz vor Fliegerbomben suchten. Auch wenn Hochbunker zuweilen heute noch Stadtbilder bestimmen, ist die Geschichte der Betonriesen ein eher unerforschtes Kapitel, egal in welcher Stadt. Lediglich in Berlin erforscht ein Verein die Bunker der ehemaligen Reichshauptstadt. Wichtiger als die Fotos, die im Auftrag des Rheinischen Bildarchivs – eines der drei größten deutschen Bildarchive zu Kunst und Architektur einer Stadt – entstanden, ist deshalb der Ausstellungskatalog, eine in Deutschland einmalige Bestandsaufnahme, wie Autor Günther P. Sellen behauptet.

Private Schutzräume oder solche, die nur für Behörden gebaut wurden, fanden allerdings keine Berücksichtigung. Sellen ist überzeugt, dass es in Köln noch mehr als die jetzt aufgelisteten 59 Bunker – alle für mindestens 100 Menschen und öffentlich zugänglich – gibt. Denn insbesondere in die Erde eingelassene Tiefbunker sind nicht nur aus der Sicht, sondern oft aus dem Gedächtnis verschwunden. Einige Bunker können heute nicht betreten werden, sind durch Schimmelpilze verseucht.

Die Bestandsaufnahme war unter anderem wegen der Besitzverhältnisse schwierig. In Köln sind die Zuständigkeiten auf mehrere Dezernate verteilt, andere Bunker gehören dem Land, dem Bund, der ehemaligen Bundesbahn oder Privatleuten. Historische Listen gibt es nicht, zum einen war der Bau Geheimsache, zum anderen gingen viele Unterlagen im Krieg verloren. Die Kölner besitzen allerdings ein 80 Fotos umfassendes Konvolut von den Bauarbeiten. Private Aufnahmen vom Aufenthalt in den stickigen Schutzräumen sind selten, die wenigen vorhandenen zeigen nicht die Angst, sondern Weihnachtsfeiern. Auch Zeitzeugenberichte sind rar.

Der Katalog zeichnet Bau und Umgang mit den Bunkern nach 1945 nach, wie er so oder so ähnlich in allen deutschen Städten gewesen ist. So dienten viele noch bis in die Fünfzigerjahre als Notunterkünfte für die Bevölkerung. Später waren sie ungeliebte Erinnerungen an deutsche Geschichte, doch Abriss kam nicht in Frage, boten sie sich doch in den Zeiten des Kalten Krieges und eines befürchteten Atomkriegs zur Reaktivierung an.

Gleichzeitig wurden unterirdisch neue Bunker gebaut, und die alten Hochbunker in den Siebzigerjahren aufwändig bemalt: So wurden sie sichtbar gemacht und zugleich dem Blick entzogen. Andere wiederum dienen nunmehr, nach kostspieliger Sanierung, als Kulturzentren oder extravagante Wohnungen.

Dass Bunker heute zum Stadtgedächtnis gehören, darüber herrscht inzwischen weitgehend Einigkeit in den Kommunen. Nicht aber darüber, was mit den einzelnen Betonriesen passiert.

„Bunker in Köln – Versuche einer Sichtbar-Machung“, NS-Dokumentationszentrum EL-DE-Haus, bis 19. November