Der Verlust der alten Bäume

ÖKOLOGIE & LEBENSQUALITÄT Bremen hat eine neues Bündnis: für eine grünere Stadt

Ein breites Bündnis aus Planungs- und Grünflächen-Fachleuten fordert einen Paradigmenwechsel in der ökologischen Stadtentwicklung: Das städtische Grün müsse wieder „als echter Standortfaktor“ wahrgenommen und gewertet werden.

Auslöser des ungewöhnlichen Zusammenschlusses aus BUND, Architektenkammer, Unternehmen, Parkdirektoren, Hochschule und weiteren Berufs- und Fachverbänden war die Ankündigung Bremens, 2014 und 2015 gefällte Bäume nicht mehr zu ersetzen – und auch auf sonstige Neupflanzungen zu verzichten. Martin Rode vom BUND sagt: „Wir haben beim fachlichen Austausch festgestellt, dass dieses Nachpflanz-Moratorium lediglich ein Element bei der seit circa 15 Jahren zu beobachten Entwertung der Grünpflege ist.“

Das Bündnis macht die Problematik der Grünplanung auch am Siechtum der früher eigenständigen Eigenbetriebs „Stadtgrün“ fest. Seit der Fusionierung mit den Entsorgungsbetrieben zum „Umweltbetrieb Bremen“ sei es zu immer weiteren personellen Ausdünnungen gekommen, die nicht zuletzt eine langfristige und nachhaltige Grünplanung und deren Umsetzung verhindern. Sechs von acht Abteilungsleitungen werden in Kürze vakant sein, einige dieser Stellen sind schon sehr lange vakant.

Wird in Bremen aus finanziellen Gründen gefällt, wo gepflegt werden könnte? „Eindeutig ja“, antworten die Fachleute unisono. Noch vor Kurzem hatte das Umweltressort offiziell das Gegenteil behauptet. Dabei sei insbesondere der Erhalt alter Bäume von zentraler Bedeutung für die Stadtökologie, betont Dietmar Zacharias, Professor für Angewandte Botanik an der Hochschule Bremen. „Doch gerade dort gibt es in den letzten 15 Jahren sehr sehr auffällige Verluste“, konstatiert Rode.

Die Hälfte dieser Zeit hat ein grüner Umwelt- und Stadtentwicklungssenator zu verantworten. Doch da die Grünen dem Paradigma der innerstädtischen Verdichtung folgen, um den Flächenfraß an Bremens Rändern zu bremsen, ist die Wichtigkeit innerstädtischer Frei- und Grünflächen aus dem Blick geraten. Paradebeispiel ist die Bebauung des Bahnhofvorplatzes, wo Bremen mit einem Stadthain hätte punkten können. Doch diese Idee wurde stets mit dem Verweis auf die Zertrampelanfälligkeit angeblich gemeinter Blumenrabatten diskreditiert.

Es gibt auch positive Beispiele: Der Umbau in der Münchener Straße in Findorff führt zu einer „Aufforstung“ der bisher baumlosen Straße mit immerhin 50, wenn auch noch kleinen, Bäumen – ermöglicht durch das zielgerichtete Einwerben überregionaler Klimaanpassungsmittel. Zukunftsweisend ist auch die Forderung des Bündnisses, Bauherren, statt zur Anpflanzung meist kurzlebiger Alibi-Bäume, zu Zahlungen in einen strategisch einzusetzenden Grünfonds zu verpflichten.

Generell gelte: Der Grünplanung müsse an wichtigen Punkten Priorität eingeräumt eingeräumt werden. „Man kann sie nicht von Casino-Erlösen abhängig machen“, sagt Harald Mikulla vom Verband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau in Anspielung auf die eingebrochenen Einnahmen der „Stiftung Wohnliche Stadt“ aus der Glücksspielabgabe, mit der früher Grünprojekte realisiert wurden.

Strategisch klug ist ferner die Forderung nach einer Bremer Bundesratsinitiative, um der durch die Rechtsprechung der letzten Jahre ständig hochgeschraubten Verkehrssicherungspflicht der Kommunen gesetzlich entgegenzuwirken. Denn in der Tat hat die sich ausbreitende Vollkasko-Mentalität schon manchem Baum das Leben gekostet.  HENNING BLEYL