Länder flirten mit dem Bund

BILDUNG Unions-Länder wollen mit dem Bund in Bildungsfragen wieder enger zusammenarbeiten. Gleichzeitig grenzen sie sich von „Einheitsschulen“ ab

BERLIN taz | Die Grenzen im deutschen Bildungssystem sind starr: zwischen den Ländern, aber auch zwischen Bund und Ländern. Zumindest an der Bund-Länder-Grenze scheinen die Beziehungen derzeit freundlicher zu werden. Der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU), ein treuer Vasall des Bildungsförderalismus, sagte am Freitag: „Die Länder müssen ihre Kultushoheit in gesamtstaatlicher Verantwortung ausüben.“ Meint: ein bisschen mehr Zusammenarbeit als derzeit wäre möglich. Seine Kollegin die baden-württembergische Kultusministerin Marion Schick (CDU) bekannte gar: „Wir könnten uns vorstellen ein Ganztagsschulprogramm wieder umzusetzen.“

Für den Ausbau der Ganztagsschulen hatte die rot-grüne Bundesregierung den Ländern rund 4 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Programme wie diese sind derzeit nicht möglich. Eine Änderung des Grundgesetzes verbietet es dem Bund seit 2006 den Ländern Geld für den Bildungsbereich zur Verfügung zu stellen. Ein Ganztagsschulprogramm wäre also nur umzusetzen, wenn Bund und Länder sich einigen könnten, stärker zu kooperieren.

Schicks Amtsvorgängerin und jetzige Bundesbildungsministerin Annette Schavan wirbt dafür. Nun hat sich auch Schleswig-Holsteins CDU-Chef Christian von Boetticher für eine Aufhebung der strikten gesetzlichen Trennung von Bund und Ländern in der Bildungspolitik ausgesprochen. „Sinnvoll wäre es, das Kooperationsverbot zu kippen und dem Bund das Auflegen einheitlicher Förderprogramme zu ermöglichen“, sagte er dem Hamburger Abendblatt.

Das rot-grün regierte Nordrhein-Westfalen will im November im Bundesrat den Antrag einbringen, das Kooperationsverbot zu kippen. Da endet dann die Einmütigkeit der Länder. Bayerns Kultusminister Spaenle nannte solche Pläne Unsinn.

Eigentlich wollte er gemeinsam mit seinen CDU-KollegenInnen Schick aus Baden-Württemberg und Roland Wöller aus Sachsen ein Grundsatzpapier gegen die Idee der Einheitsschule vorstellen. Stellvertretend für alle zehn unionsregierten Länder. Den Bildungspolitikern geht es um die Deutungshoheit: Individuelle Förderung sei nur im differenzierten Schulsystem möglich, also im gegliederten. Einheitsschule sei Retropädagogik, so Spaenle. Und Gemeinschaftsschulen, wie sie etwa Nordrhein-Westfalen gerade einführt, sind für Spaenle „Kuschelretro“. Die Grenzen zwischen Unions- und SPD-regierten Ländern bleiben unverrückbar. ANNA LEHMANN