Teure Selbstüberschätzer

Der Vorstand des Weltkonzerns Siemens macht alles andere als eine gute Figur – mit dem Management seines Handygeschäfts und dessen Verkauf

BenQ transferierte das milliardenteure Know-how angeblich schon vor Monaten nach Taiwan

VON NICOLA LIEBERT

Aus dem Fall BenQ ist wieder der Fall Siemens geworden. Sollte der Siemens-Vorstand wirklich versucht haben, sich durch den Verkauf der Mobilfunksparte an den taiwanischen Konzern BenQ aus der Verantwortung für deren Pleite zu schleichen, so ist dieser Versuch gründlich gescheitert. Nicht nur Gewerkschafter, sondern auch Politiker aller Couleur erinnern den Münchner Konzern an seine Verantwortung.

Dieser hat langsam begriffen, dass ein Imageschaden droht, wenn man sich erst von außen daran erinnern lassen muss. Widerwillig und reichlich spät erklärte sich der Vorstand inzwischen bereit, die umstrittene 30-prozentige Erhöhung seiner Bezüge um ein Jahr zu verschieben und einen Qualifizierungsfonds in Höhe von 35 Millionen Euro für die 3.000 betroffenen Mitarbeiter zu schaffen. Die Handysparte an BenQ abzuschieben hatte sich Siemens mehr als zehnmal so viel kosten lassen.

Insgesamt macht der Vorstand des Weltkonzerns Siemens alles andere als eine gute Figur – mit seinem Management des Handygeschäfts und dessen Verkauf genauso wenig wie mit der anschließenden Schadensbegrenzung. Erstaunlich eigentlich, denn mit den Leistungen des Vorstands war ja gerade die satte Gehaltserhöhung begründet worden. Von außen könne man gar nicht beurteilen, ob der Vorstand gute Arbeit mache oder nicht, wischte Vorstandschef Klaus Kleinfeld alle Kritik daran weg. Wie wahr, man kann es von außen wirklich nicht verstehen, für welche Leistung etwa der Vorstandsvorsitzende künftig statt 3,3 Millionen Euro im Jahr 4,3 Millionen bekommen sollte.

Von außen sieht die Leistung so aus: Ein deutscher Traditionskonzern schafft es nicht, in irgendeiner Zukunftstechnologie, seien es Computer oder eben auch Mobilfunk, erfolgreich zu sein. Wenige Ideen, mäßige Qualität, darunter litt die Handysparte. Als den Managern nichts mehr einfiel, gaben sie die Schuld den Arbeitern. Zu teuer. Diese Arbeiter erklärten sich umgehend zu Lohneinbußen und längeren Arbeitszeiten bereit. Auch das half nicht, war es doch gar nicht das eigentliche Problem gewesen. Nun hatten die Siemens-Manager keine Lust mehr und schmissen den ganzen Kram hin beziehungsweise einem taiwanischen Konzern hinterher, den bis dahin kaum jemand kannte. Der bekam dafür noch insgesamt 413 Millionen Euro Mitgift, wie Siemens jetzt einräumte, und dazu noch Nutzungsrechte für den Markennamen Siemens sowie 1.750 Patente. BenQ transferierte das Know-how, das der Betriebsrat auf eine Milliarde Euro schätzt, angeblich schon vor Monaten nach Taiwan. Die deutschen Standorte stehen nackt da. Nicht sonderlich attraktiv für Investoren, die jetzt gesucht werden.

So groß scheint jedoch die Erleichterung bei den Siemens-Managern gewesen zu sein, die Handyproduktion loszuwerden, dass sie an Absicherung der Arbeiter kaum dachten. Die Taiwaner hätten doch versprochen, die Standorte zu erhalten, verteidigt sich Kleinfeld. In der Tat hatte BenQ die Arbeitsplatzgarantien mit übernommen, die Siemens vor zwei Jahren als Gegenleistung für den Lohnverzicht der Arbeiter gegeben hatte. Nur liefen die diesen Sommer aus. Sollte sich Siemens wirklich auf Versprechen verlassen haben, dass BenQ darüber hinaus Arbeitsplätze erhält, wäre das ein interessanter Einblick in die Gepflogenheiten der globalen Wirtschaftselite. Ob sie auch so vertrauensselig wären, wenn es zum Beispiel um ihre eigenen Jobs ginge?

Siemens schaffte es nicht, in einer Zukunftstechnologie erfolgreich zu sein

Tatsächlich waren bei BenQ Mobile die Manager in eigener Sache offenbar vorsichtiger. Während die Produktionsfirma, bei der die 3.000 Mitarbeiter angestellt sind, über ein Eigenkapital von 25.000 Euro verfügen soll, wurde daneben eine weitere Firma mit zwei Millionen Euro ausgestattet, allein für die Manager und deren Abfindungen.

„Diese Leute haben eine narzisstisch egomanische Persönlichkeitsstruktur“, so beschrieb der Münchner Psychologe Peter Friederichs vor einiger Zeit in der Welt das Verhalten vieler Wirtschaftsbosse. „Gerade die Top-Manager leiden an extremer Selbstüberschätzung.“ Dafür scheinen sie etwas anderes zu unterschätzen: Wirtschaft findet nicht im menschenleeren Raum statt. Es geht nicht nur um Gewinne, Umsätze, Börsenkurse und die Höhe der Managerbezüge. Es geht um Arbeitsplätze und die Menschen, die diese besetzen. Es geht um die Existenzsicherung und das Einkommen dieser Menschen, die dann als Konsumenten auftreten und den Unternehmen erst zu ihren Umsätzen verhelfen. Und die anschließend auch an die Wahlurnen gerufen werden.

Vom bayerischen Wirtschaftsminister Erwin Huber über SPD-Chef Beck bis zur Kanzlerin höchstpersönlich fühlen sich Politiker auf einmal zur Kritik an Siemens berufen. „Was sagen in diesen Tagen den Mitarbeitern von BenQ, die so mir nichts, dir nichts auf die Straße gesetzt werden sollen?“, fragte gestern Angela Merkel. Es wird Zeit, dass sich ein paar Unternehmenslenker darüber Gedanken machten. Außerhalb der sozialen Marktwirtschaft und Gesellschaft erfolgreich Geschäfte zu machen – das dürfte ihnen auf Dauer nicht gelingen.