BOSNIEN-HERZEGOWINA: DIE ZEIT DER ALTEN NATIONALPARTEIEN IST VORBEI
: Nicht Freude, aber doch Optimismus

Vor ein paar Jahren schien noch undenkbar, was jetzt bei den Wahlen in Bosnien-Herzegowina eingetreten ist. Die Nationalparteien der Serben und Kroaten – die Parteien des Krieges und der Kriegsverbrecher, der Korruption und der Manipulation – sind entmachtet oder haben sich gespalten. Auch die muslimische SDA musste gewaltig Federn lassen. Die Mehrheit der Wähler in den Städten und unter den Erstwählern entschieden sich für die Kräfte, die in Opposition zu den Nationalparteien standen. Die explizit antinationalistischen Kräfte haben sogar einen Vertreter in der dreiköpfigen Präsidentschaft des Landes untergebracht.

Das könnte ein Anlass zur Freude sein – wäre da nicht der Umstand, dass die großen Wahlsieger, der Muslim Haris Silajdžić und der Serbe Milorad Dodik, bei ihrer Wahlkampagne zu alten Parolen gegriffen haben. Silajdžić forderte die Serben heraus, indem er die Auflösung des serbischen Teilstaates verlangte, Dodik wiederum provozierte alle anderen Volksgruppen, indem er mit der Sezession ebendieses Teilstaates drohte und damit die Hetzer Milošević, Karadžic und Mladić imitierte.

Aber: Dodik hat zwar mit alter Rhetorik die Stimmen von den Nationalisten gewonnen, war jedoch immer Gegner der Karadžić-Partei. Sollte er den Kampf gegen die Korruption wie versprochen führen, träfe er den Nerv derer, die den Kriegsverbrecher unterstützen. Und er weiß genau, dass er den serbischen Teilstaat nicht gegen die internationale Gemeinschaft aus Bosnien herauslösen kann. Offensichtlichen Wählerbetrug kann er sich aber auch nicht leisten. Ihn aus der Zwickmühle zu befreien, liegt so auch an den anderen.

Ob aber Haris Silajdžić als wichtigster Politiker der muslimischen Mehrheit dies tut, ist noch unklar. Doch nur wenn die neuen „starken Männer“ Kompromisse finden, kann das Land aufatmen. Viele Bürger haben die nationalistischen Spannungen satt und wollen einen normalen Staat. Auch weil manche Muslime, Serben und Kroaten querbeet wählten – nicht nur „ihre“ Parteien, sondern auch Kandidaten aus anderen Volksgruppen –, ist die politische Landschaft in Bosnien und Herzegowina in Bewegung geraten. Und das stimmt insgesamt doch optimistisch. ERICH RATHFELDER