Siemens will nicht der Bösewicht sein

Finanzvorstand übt nach Insolvenz der früheren Handy-Sparte Kritik an neuem Besitzer BenQ. Noch ausstehende Zahlungen an den taiwanesischen Konzern sollen überprüft werden. Außerdem will Siemens BenQ-Mitarbeiter bevorzugt einstellen

AUS BERLINSTEPHAN KOSCH

Siemens hat vor dem Hintergrund der Insolvenz seines früheren Handy-Geschäftes den Schwarzen Peter an den neuen Besitzer BenQ weitergereicht. „Dass BenQ bei dem ersten stärkeren Gegenwind gleich umfällt, ist sehr bedauerlich“, sagte Siemens-Finanzvorstand Joe Kaeser gestern der Deutschen Presse-Agentur. „Wir sind überrascht, dass uns BenQ vorher nicht rechtzeitig konsultiert hat.“ Vor eine Woche habe der Konzern in Taipeh von Siemens die sofortige Zahlung von zwei noch anstehenden Raten in Höhe von insgesamt 150 Millionen Euro erbeten. Das Geld sollte entgegen den Absprachen komplett nach Taiwan überwiesen werden und nicht teilweise an die deutsche Tochter. „Das hat uns schon etwas verwundert“, sagte Kaeser.

Siemens steht nach der Kritik an den Gehaltserhöhungen für den Vorstand seit Donnerstag erneut in der öffentlichen Diskussion. An diesem Tag hatte BenQ den Geldhahn für die deutschen Fabriken und Verwaltungsstellen zugedreht. Am Freitag meldete BenQ Mobile Insolvenz an. Arbeitnehmervertreter und Politiker, darunter auch Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU), übten daraufhin Kritik an dem Münchener Großkonzern. Siemens wird vorgeworfen, sich durch die Abgabe des Geschäftes an BenQ und die Zahlung einer Mitgift in Höhe von etwa 500 Millionen Euro eines Sanierungsfalls entledigt zu haben. „Was Nokia geschafft hat, hätte Siemens auch schaffen müssen“, sagte Glos. „Ich bin von den unternehmerischen Leistungen dort enttäuscht.“ Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck sieht Siemens in der Verantwortung für die deutschen BenQ-Mitarbeiter.

Kaeser reagierte nun darauf mit der Zusage, dass BenQ-Mitarbeiter bei der Besetzung von gut 2.000 offenen Stellen bei Siemens bevorzugt behandelt werden sollen. Zudem werde der Konzern prüfen, ob die im Oktober und Dezember an BenQ zu zahlenden Raten nach Taiwan überwiesen werden müssen oder direkt der deutschen Tochter zukommen können.

Von der Muttergesellschaft aus Taiwan, die im ersten Halbjahr 2006 einen Verlust von rund 180 Millionen Euro verzeichnete, können die rund 3.000 Beschäftigten in Deutschland offenbar keine Unterstützung erwarten. Sie lehne Hilfen an oder Übernahmen von deutschen Mitarbeitern ab, berichtete der Focus in seiner neuesten Ausgabe. BenQ-Finanzchef Eric Ky Yu sagte dem Magazin: „BenQ geht nun an den Insolvenzverwalter. Wir müssen abwarten, was er unternimmt.“

Der vorläufige Insolvenzverwalter Martin Prager rechnet damit, dass die Produktion zunächst bis Jahresende weiterlaufen kann. Ab Januar müsse das Unternehmen dann aber profitabel sein, sagte er am Samstag. Prager zeigte sich insgesamt vorsichtig optimistisch. Unklar ist aber derzeit der Zugriff auf die Handy-Patente, der für eine weitere Produktion wichtig wäre. Ein Teil der Rechte sei direkt nach Taiwan gegangen.

BenQ-Mobile-Geschäftsführer Clemens Joos forderte die Konsumenten und die großen Telekommunikationsunternehmen auf, mit dem Kauf von BenQ-Modellen zur Rettung der deutschen Jobs beizutragen. „Alle Erlöse kommen unmittelbar der Firma und damit den Mitarbeitern zugute“, sagte Joos.

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