Exgeneral zum Regierungschef ernannt

Thailands Putschisten bestimmen früheren Oberbefehlshaber zum Ministerpräsidenten. Der 63-jährige Chulanont gilt als beliebt und anerkannt. Neuwahlen für Oktober 2007 geplant. Mit der Ernennung tritt auch eine vorläufige Verfassung in Kraft

AUS BANGKOK NICOLA GLASS

Der frühere General Surayud Chulanont ist Thailands neuer Interims-Regierungschef. Der ehemalige Oberbefehlshaber der thailändischen Streitkräfte wurde gestern in einer offiziellen Zeremonie vereidigt. Diese wurde live im thailändischen Fernsehen ausgestrahlt.

Zuvor hatte Thailands König Bhumipol Adulyadej der Ernennung formell zugestimmt. Vom Chef der Militärführung, General Sonthi Boonyaratkalin, war Surayud persönlich gefragt worden, ob er den Posten übernehme wolle. Zugesagt hat er offenbar erst nach reiflicher Überlegung: „Ich bin für die Politik nicht geeignet“, wurde Surayud Chulanont noch vor zwei Jahren zitiert. Die Regierungsgeschäfte wird er nun bis zum Oktober 2007 führen. Dann sollen Neuwahlen stattfinden.

Mit dem durch den Putsch vom 19. September entmachteten Premier Thaksin Shinawatra hatte sich Surayud vor einigen Jahren entzweit und war schließlich aus der Armee ausgeschieden. Er wurde Mitglied des Staatsrats – des Gremiums, das den Beraterstab um Thailands hoch verehrten Monarchen Bhumipol bildet. Der 63-jährige Surayud ist in breiten Teilen der Armee sehr beliebt und gilt auch in Zivilkreisen als anerkannt. Eine seiner schwierigsten Aufgaben dürfte sein, Thailands Demokratisierung voranzutreiben. Die „besondere Herausforderung“ für den neuen Premier sieht der Politikwissenschaftler Thitinan Pongsudhirak darin, dass dieser ehemalige Mann des Militärs „eine zivile Regierung führen und sich gleichzeitig als unabhängig vom Militärrat“ erweisen müsse.

Obwohl er rund vierzig Jahre lang Soldat war, hatte der als integer geltende Surayud Chulanont die gesellschaftliche Rolle des Militärs stets kritisch bewertet. Vor allem nach den Massendemonstrationen gegen den damaligen Machthaber Exgeneral Suchinda Kraprayoon im sogenannten Schwarzen Mai 1992, als Soldaten wehrlose Demonstranten regelrecht exekutierten. Damals hatte Surayud öffentlich erklärt, dass die Armee sich aus politischen Angelegenheiten herauszuhalten habe.

Mit Ernennung des Interims-Premiers ist gestern gleichzeitig eine vorläufige Verfassung in Kraft getreten. Diese besagt, dass die Putschisten juristisch nicht für den Sturz der Thaksin-Regierung belangt werden können. Auch behält die Militärführung prinzipiell die politische Kontrolle: Gestern benannte sie sich von „Rat für Demokratische Reform“ in „Rat für Nationale Sicherheit“ um.

Konkret bedeutet das, dass die Junta den neuen Regierungschef und seine Minister ihrer Posten entheben kann, falls sich – wie unter der Regierung von Thaksin Shinawatra – deutliche Anzeichen für Korruption und Amtsmissbrauch ergeben sollten. In die Kabinettsbildung und den politischen Alltag wolle sich das Militär nicht einmischen, hieß es.

In Akademiker- und Aktivistenkreisen gilt der Putsch weiterhin als höchst umstritten. „Militärische Staatsstreiche verstoßen in jeder Hinsicht gegen internationales Recht“, moniert die in Hongkong ansässige „Asiatische Menschenrechtskommission“.

Andere Beobachter hingegen zeigen Verständnis für das Eingreifen der Armee. Unter ihnen Surat Horachaikul von Bangkoks Chulalongkorn-Universität. „Wir hatten keine andere Alternative“, glaubt Surat. Immer wieder habe er die EU beispielsweise auf die extralegalen Hinrichtungen während des 2003 von Expremier Thaksin initiierten „Kriegs gegen die Drogen“ aufmerksam gemacht. Damals waren viele Unschuldige ums Leben gekommen. Auch verwies er auf die Tatsache, dass die Thaksin-Administration versuchte, kritische Medien und unabhängige Organisationen mundtot zu machen. „Jemand wie ich, der unter der Regierung Thaksin eingeschüchtert und bedroht wurde, kann nicht sagen, dass die Demokratie durch den Militärputsch vergewaltigt wurde“, so Surat.