Könnte der Castor verhindert werden?

ATOMMÜLL Nach der Hafenordnung von Lübeck sind Atomtransporte seit 1990 nicht erlaubt. Bremen begnügt sich mit papiernen Beschlüssen – die Zahl der Transporte steigt

Alle paar Tage geht atomare Fracht über die Bremer Hafenanlagen – allein im August 2010 fünf Mal:

Am 4. 8. kamen radioaktive Stoffe aus Australien, wurden umgeladen nach Frankreich.

Am 10. 8. kamen radioaktive Stoffe aus dem Forschungszentrum Geesthacht und wurden zur Weiterfahrt Richtung USA verladen.

10. 8.: Radioaktive Stoffe aus Villingen und Braunschweig werden Richtung USA verladen.

16. 8.: Australische Ladungen kommen an, werden umgeladen Richtung Narbonne/Frankreich.

24. 8.: Radioaktiver Müll aus dem Forschungsinstitut CERN in Genf wird Richtung USA verladen.

Die Bremische Bürgerschaft hat im Februar 2010 beschlossen, „unnötige Atomtransporte durch das Land Bremen zu verhindern“. Der Bremer Innensenator hat dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) mitgeteilt, dass er den geplanten Transport der 951 Castor-Behälter über Bremer Hafenanlagen aus Sicherheitsgründen ablehne. Das klingt gut – die Wahrheit ist: Über die bremischen Häfen wird ungeniert weiter atomare Fracht verschifft. „Offensichtlich zeigen zahnlose Beschlüsse keinerlei Wirkung“, sagt Klaus-Rainer Rupp, Umweltpolitiker der Linksfraktion.

Er hatte den Senat offiziell gefragt, wie viele Transporte über die bremischen Häfen laufen, und die Antwort ist ernüchternd: Im Jahr 2006 waren es 22, im Jahre 2007 schon 60, 2008 stieg die Zahl auf 90 Transporte, 2009 waren es dann 91 und in diesem laufenden Jahr allein in den acht Monaten bis August schon 85 Transporte.

Diese Zahl betrifft den Hafen-Umschlag. Atomtransporte gehen auch über die Autobahn an Bremen vorbei: Am 8. März 2010 etwa hatte die Polizei einen Sattelschlepper mit einer Ladung hoch toxischen Gefahrenguts auf der Autobahn A1 gestoppt und aus dem Verkehr gezogen: Er hatte 15 Tonnen radioaktives Uranhexafluorid geladen und das in einer Form, die die Polizei nicht als verkehrssicher betrachtete. Sie veröffentlichte später ein Foto von großen Roststellen an dem LKW, der LKW-Fahrer bekam einen Strafzettel wegen einer Ordnungswidrigkeit.

Das Bundesamt für Strahlenschutz hat Ende September den Transport von 951 Brennelementen vom Zwischenlager Ahaus in Nordrhein-Westfalen ins russische Majak genehmigt. Der Transport soll in 18 Castor MTR-2-Behältern von Ahaus über einen norddeutschen Hafen verschifft werden. Im Gespräch sind Bremerhaven, Cuxhaven und Hamburg. Der private Hafenbetreiber in Cuxhaven, Cuxport, hat den Transport bereits im September abgelehnt. Der Bremer Innensenator hat beim Bundesumweltministerium und das Bundesamt für Strahlenschutz in Salzgitter Sicherheitsbedenken angemeldet wegen zu erwartender Proteste. Auch in Hamburg bestehen Sicherheitsbedenken. Darüber wird sich das Umweltbundesamt im Zweifelsfall aber hinwegsetzen.

„Die bremische Hafenordnung enthält keine Ermächtigungsgrundlage zur Verhinderung von Atomtransporten“, heißt es in der Antwort des Senats auf die Fragen der Linken lapidar. Was da nicht steht: Das könnte die Bürgerschaft mit der Hafenordnung ändern. Lübeck hat das getan – schon 1990. Die Bürgerschaft der Hansestadt hatte damals eine Teilentwidmung des öffentlichen Hafengebietes „für Güter der Gefahrenklasse 7 – radioaktive Stoffe“ beschlossen. Die gilt bis heute. Wilhelmshaven hatte das schon 1988 so entschieden.

Nur das wäre eine langfristige und umfassende Lösung, sagt Rupp. Und die wäre auch aus einem anderen Grund notwendig: Das Bundesamt für Strahlenschutz interessiert sich nur für die Sicherheit auf bundesdeutschem Gebiet. Aber Majak, woher die 941 Container kommen, ist das weltweit verseuchteste Gebiet ist, auf dem heute noch 5.000 Menschen einer starken Strahlenbelastung ausgesetzt sind. Den Menschen dort könnte nur eine Blockade helfen.

Das Bremer Wirtschaftsressort will den „Lübecker“ Weg nicht gehen. Man habe eine andere Rechtsauffassung, heißt es. Die Atomaufsicht sei Bundessache, da könnten Länder sich nicht einfach querstellen. kawe