Angstkampagnen ziehen immer

Vor den Nationalratswahlen am Sonntag blickt Österreich auf einen schmutzigen Wahlkampf zurück. Die Rechtsregierung scheint aussichtslos, doch eine Nachfolge ist ungewiss. SPÖ und ÖVP wollen keine große Koalition und buhlen um die Grünen

Die Grünen stehen in den Umfragen stets besser da als am Wahlabend

AUS WIEN RALF LEONHARD

Selten bekommt man mitten im Wahlkampf so ehrliche Erklärungen der Politik serviert. Ein kalkuliertes „Geschäft mit der Angst“ seien Anti-Ausländer-Parolen bei einer „Wählerklientel, die zutiefst verunsichert ist“. Der das sagt, klagt nicht den politischen Gegner an: Staatssekretär Eduard Mainoni, dessen Aussagen in einem 2004 geführten Interview erst jetzt in Österreich bekannt wurden, meint die Strategie der eigenen Partei, des Bündnisses Zukunft Österreich (BZÖ), das im vergangenen Jahr als Nachfolger der rechtspopulistischen FPÖ die Koalition mit der christdemokratischen ÖVP fortgeführt hat.

Der Wahlkampf in diesem Jahr zeigte, dass das Thema Ausländer nach wie vor zieht. Vor allem das Feindbild Islam musste für die Profilierung der Rechtsparteien herhalten. „Daham [daheim] statt Islam“ plakatierte etwa die FPÖ. Und BZÖ-Chef Peter Westenthaler präsentierte während einer Fernsehdebatte mit dem Vorsitzenden der sozialdemokratischen SPÖ, Alfred Gusenbauer, triumphierend einen Brief, in dem der Wiener SPÖ-Politiker Omar Al Rawi vom Alpenverein verlangte, die Gipfelkreuze auf den Bergesgipfeln sollten durch Halbmonde ersetzt werden, da sie als christliche Herrschaftssymbole seine religiösen Gefühle verletzten. Westenthaler bestand auch dann noch darauf, dass das Schreiben echt sei, nachdem sich eine Künstlergruppe als Autorin der Fälschung geoutet hatte. Sie hätte testen wollen, wie weit die Politiker in ihrer geifernden Ausländerhetze gehen würden.

Die TV-Konfrontation Heinz-Christian Strache (FPÖ) gegen Westenthaler war dann der eindeutige Tiefpunkt des Wahlkampfes. Westenthalers Pläne, in den nächsten Jahren 300.000 Ausländer zu deportieren, gingen schließlich auch Justizministerin Karin Gastinger zu weit. Sie erklärte letzten Montag ihren Austritt aus dem BZÖ. Reichlich spät hätte sie den Charakter ihrer Partei erkannt, höhnte Grünen-Chef Alexander Van der Bellen.

Kommt die Wende von der Wende in Österreich? Die ÖVP verzichtet im Wahlkampf fast gänzlich auf Inhalte und stellt wieder einmal die Person Wolfgang Schüssel in den Mittelpunkt: „Weil er’s kann“, soll man ihn wählen. Das sollte für den ersten Platz reichen.

Noch vor einem halben Jahr hatte die Sache ganz anders ausgesehen. Die SPÖ lag in allen Umfragen stabil 2 bis 6 Prozentpunkte vor der regierenden ÖVP, die Grünen konnten mit 12 Prozent rechnen, alle anderen tummelten sich deutlich unter der 10-Prozent-Marke. Dann platzte der Bawag-Skandal. In der gewerkschaftseigenen Bank waren Milliarden in hochspekulativen Hedge-Fonds versenkt worden. Das luxuriöse Leben der roten Banker ist seither nicht nur Mittelpunkt der Boulevard-Berichterstattung, sondern auch Gegenstand gerichtlicher Untersuchungen. Besser hätte es für die ÖVP nicht laufen können. Tatsächlich sackten die Roten in den Umfragen ab und konnten sich erst auf niedrigem Niveau um die 35 Prozent stabilisieren, als die Bawag-Affäre durch die Debatte über den Pflegenotstand überlagert wurde. Als schließlich auch immer mehr Details ruchbar wurden, wie ÖVP-Finanzmagnaten und Politiker in die Kanalisierung von Bawag-Finanzströmen verwickelt sind, hatte es die ÖVP plötzlich mit der parlamentarischen Untersuchung der Affäre nicht mehr so eilig. Eine auf ihren Wunsch vor den Wahlen anberaumte Sitzung wurde jetzt abgesagt.

„Weil er’s kann“, soll man Schüssel wählen. Das dürfte für den ersten Platz reichen

Kurz, aber schmutzig war der Wahlkampf. Da sind sich fast alle einig. Allerdings orten die Parteiensprecher die Schmutzkübel überall, nur nicht in den eigenen Parteizentralen. Einzig den Grünen wird allgemein bescheinigt, sie hätten sich an der Schlammschlacht nicht beteiligt. Gleichzeitig wirft man ihnen vor, sie würden zu wenig Profil zeigen. Ihre Themen Bildungspolitik, Energiewende, Armutsbekämpfung, gegen Ausgrenzung und Diskriminierung sind wenig wahltauglich.

Mehr denn je aber drängen die Grünen in die Regierung, und dafür stehen die Chancen gar nicht schlecht. Denn die ÖVP wird sich einen neuen Partner suchen müssen. Das BZÖ, sollte es allen Umfragen zum Trotz die 4-Prozent-Hürde meistern, wird mit Sicherheit kein Mehrheitsbeschaffer mehr sein. Und zwischen ÖVP und SPÖ ist das Klima so vergiftet, dass eine große Koalition nur als letzter Ausweg in Frage kommen dürfte. Sowohl Schüssel als auch Gusenbauer hätten lieber die Grünen als Juniorpartner, wenn sie die Möglichkeit bekommen.

Bleibt die Frage, ob es dafür rechnerisch reichen wird. Die Grünen stehen traditionell in den Umfragen besser da als am Wahlabend, während die FPÖ-Wähler sich ungern deklarieren – und ihrer Partei zuweilen Überraschungserfolge bescheren.