rüttgers und benq
: Arbeiterführer und Patriot

Jürgen Rüttgers hat seinen Gerhard Schröder gelernt. Wie der Altkanzler einst beim kaputten Baukonzern Holzmann, gibt nun Jürgen Rüttgers den Retter für ein in die Not geratenes Unternehmen. Sein Auftritt gestern vor den Arbeitern des ehemaligen Siemens- und bald nicht einmal mehr BenQ-Handywerkes in Kamp-Lintfort war ein Abziehbild des in seinem Populismus kaum zu übertreffenden Schröders. Es klingt zynisch – aber für den selbst ernannten Arbeiterführer Rüttgers hätte es keinen schöneren Auftritt geben können. Denn die BenQ-Krise gibt ihm die einmalige Chance, seine Kleine-Leute-Rhetorik der vergangenen Wochen und Monate mit den passenden Fernsehbildern zu untermalen.

KOMMENTAR VON JAN CLAUSEN

Rüttgers hat Recht damit, wenn er Siemens für die Pleite in Kamp-Lintfort und Bocholt verantwortlich macht. Der einstige deutsche Vorzeigekonzern hat dort nämlich ein wahres Schurkenstück abgeliefert: Erst hat das Management den Laden durch eine verschlafene Modellpolitik ruiniert – Klapphandy, was ist das? Dann wurden die Beschäftigten zu Lohnverzicht gezwungen, um die Werke inklusive Markennamen dann schließlich doch an einen Konkurrenten zu verschenken, von dem man wusste, dass er in Taiwan deutlich billiger produzieren kann.

Siemens hat die Mitarbeiter sehenden Auges in die Arbeitslosigkeit marschieren lassen. Es ist richtig, wenn dies auch von Politikern so deutlich gesagt wird. Allein: Helfen wird Jürgen Rüttgers den Menschen ebenso wenig, wie Gerhard Schröder Holzmann retten konnte.

Praktische Auswirkungen wird Rüttgers Auftritt nicht haben. Im Gegenteil: Die Beschäftigten müssen sich veralbert vorkommen. Derselbe Rüttgers, der heute die Siemens-Bosse geißelt, war im Landtagswahlkampf 2004 mit der Parole „Vorfahrt für Arbeit“ noch ganz in deren Sinne unterwegs. Den Lohnverzicht der Mitarbeiter bezeichnete er damals als „patriotischen Akt“. Wie schnell sich die Zeiten ändern.