„Mit opulenten Bildern“

KINO Das Balkan-Filmfestival fokussiert auf die Minderheit der Roma – mit Tony Gatlifs „Liberté“

■ Kulturwissenschaftler, koordiniert für den Verein Terra Nostra das Programm des Balkan-Filmfestivals

taz: Herr Millies, wieso hat Tony Gatlifs „Koroko/Liberté“ noch keinen deutschen Verleih?

Marc Millies: Das ist mir auch ein Rätsel. Es ist eine fast klassische französische Großproduktion, mit opulenten Bildern, von TF1 produziert …

und Gatlifs Filme wie Gadjo Dilo waren ja auch in Deutschland oft erfolgreich.

Ja. Ich weiß es wirklich nicht.

Weil „Liberté“ die Verfolgung der Roma durch die Nazis zeigt?

Ich würde nicht so weit gehen, die Gründe im Sujet zu suchen. Und es kann sich ja auch noch etwas daran ändern: Momentan ist der Film auf Festival-Tour, da wird auch immer geschaut, wie er ankommt. Deutschland-Premiere war beim Hamburger Filmfest vor zwei Wochen.

Aber wie passt er auf Ihr Balkan-Filmfestival?

Geografisch sicher nicht: Regisseur Gatlif ist ein in Algerien geborener, französischer Roma. Aber thematisch war uns dieser Film besonders wichtig. Unser Programm fokussiert auf die Minderheit der Roma. Dabei ging es uns einerseits um ein möglichst vielfältiges Bild – denn die Roma sind alles andere als eine homogene Gruppe.

Und „Liberté“ …?

Gatlifs Film entwirft ein historisches Bild, das es in mancherlei Hinsicht heute nicht mehr gilt, etwa, wenn da Menschen im Pferdewagen reisen. Aber damit thematisiert er die ständige Repression und Diskriminierung, die noch immer aktuell ist – und erinnert an die besondere historische Verantwortung Deutschlands und Frankreichs.

Hat die neue westeuropäische Antiziganismus-Welle ihren Ausgang auf dem Balkan, wo amnesty international seit Jahren auf Diskrimnierungen hinweist?

Das wäre interessant zu untersuchen, ob es so etwas wie eine Migration von Ressentiments gibt. Aber auf dem Balkan und in Ungarn sind die Übergriffe gegen Roma Teil eines erstarkenden Rechtsradikalismus, der dort mehrfach Tote gefordert hat. Das scheint mir in Deutschland und Frankreich nicht zu erwarten. Bloß, die Bereitschaft, nach unten zu treten, wächst auch hier, weil sich die wirtschaftliche Lage verschlechtert. INTERVIEW: BES

Heute und morgen, Cinema, jeweils 20.45 Uhr