neues aus neuseeland: lecker raucherbein von ANKE RICHTER
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Als Frau eines Urologen mit Hang zur Proktologie bekomme ich Unglaubliches zu Gesicht. Wunden, Deformationen, Samenstränge – nichts Menschliches ist mir fremd, zumindest auf dem Papier, denn hin und wieder darf ich medizinische Fotos betrachten oder stolpere über Dia-Kästen. Dann rasen meine Ekelhormone vor Wonne. Unvergessen ist mir das Röntgenbild mit der Sicherheitsnadel, die sich in die Harnröhre eines masochistischen Patienten verirrt hatte. Ein Poster für einen Kongress zeigte ein Analkarzinom in 20-facher Vergrößerung. Das sind Lichtblicke eines Ehelebens.

Dass ich in ein Volk von ähnlich Perversen geraten bin, wird mir jetzt klar, weil das neuseeländische Gesundheitsministerium mit einem mutigen, aber ästhetisch eigenwilligen Vorschlag daherkommt. Auf Zigarettenschachteln sollen künftig zur Abschreckung Fotos von Raucherbeinen abgedruckt werden. Genauer gesagt der unterste Teil davon, die halb verwesten und teilamputierten Zehen. Über der grell ausgeleuchteten knotigen Haut prangt ein Rahmen mit der Telefonnummer der „Quit Smoking“-Hotline. Da waren Grafiker am Werk, die ihren Würgereiz gut unter Kontrolle hatten.

Statt dass sich die qualmenden Voyeure des Landes über das kostenlos mitgelieferte Bildmaterial freuen, wird mal wieder gestänkert: Wie weit soll die Belehrung noch gehen? Prangt demnächst auf jeder Schnapsflasche eine Leberzirrhose? Auf jedem Pfund Butter das Antlitz eines Fettwanstes? Warum nicht zum neuen Auto ein paar polizeiliche Aufnahmen vom Unfallort mitliefern? Und alles, was ungeschützten Geschlechtsverkehr fördern könnte, müsste logischerweise mit Fotos von Feigwarzen, Kaposi-Flecken und feuchtem Schanker dekoriert werden. Wechselweise mit einer greinenden Kinderschar.

Der Aufschrei der Empörung rührt daher, weil das Äußere der Zigarettenschachtel nicht als Litfaßsäule für markante Botschaften missbraucht werden soll – außer der der Tabakindustrie. Die hat es nicht so mit medizinischen Aufnahmen und greift lieber auf Stimmungsvolles zurück, das dem Auge schmeichelt. In ihrem noblen Ansinnen, den giftigen Genuss mit einem Anstrich von Fernweh und Exotik zu mildern, verzierte die Firma Philip Morris daher die Marke L & M mit dem Aufdruck „Maori Mix“. Dazu einige folkloristische Spiral-Kringel, eine Landkarte von Neuseeland und eine Palme. Dieses hübsch anzusehende Lungenkraut wurde zwar nur in Israel verkauft, fiel aber dort einem Kiwi in die Hände. Und dem fiel ein, dass in seiner Heimat überdurchschnittlich viele Ureinwohner Kettenraucher sind.

Die „Maori Smokefree Coalition“ fackelte angesichts des israelischen Fluppen-Fiaskos nicht lange. Bei der jährlichen Aktionärsversammlung von Philip Morris in New York beschwerte die Delegation aus Neuseeland sich bitter über den Missbrauch der kulturellen Symbole ihres Volkes. Die Protestnote begann mit einem Tauparapara, der traditionellen Begrüßung in der Maori-Sprache. Die Ethno-Offensive zwang den Tabakgiganten in die Knie. Man entschuldigte sich und gestand ein, einen üblen Fehler gemacht zu haben. Neuseelands Urbevölkerung kann aufatmen. Auch wenn dabei der Raucherhusten rasselt.