Bestseller und Anarchie

JUBILÄUM Die Hamburger Edition Nautilus wird 40 Jahre alt und hat allen Anlass, zufrieden in die Zukunft zu blicken

40 Jahre ist ein gutes Alter. Man hat Erfahrungen gesammelt, ein paar gute, ein paar ernüchternde, ein paar Erfolge. Man hat Mittel und Wege gefunden, seine Miete zu bezahlen. Mit viel Glück hat einen der Idealismus nicht komplett verlassen. Die Edition Nautilus wird am 1. April 40 – und kann all das von sich behaupten.

Es passt zum Charakter des Hamburger Verlags, dass Lutz Schulenburg und Pierre Gallissaires 1971 eigentlich nur die erste Nummer der Zeitschrift MaD herausgeben wollten. Die sollte „den Antiautoritären Material in der Auseinandersetzung mit den diversen Strömungen des autoritären Sozialismus liefern“, schrieb Schulenburg später, „und andererseits zu deren Programmfindung beitragen“.

Ein Interesse an der Politik und am Nicht-Stromlinienförmigen blieb dem Kopffüßler erhalten: Fragt man Hanna Mittelstädt, die ein Jahr nach der Gründung dazustieß, nach den beiden wichtigsten Ereignissen für den Verlag, dann fallen ihr die Bücher zur Hamburger „Recht auf Stadt“-Bewegung ein. Es sind eher junge Autoren und es sagt viel, dass sie mit ihren Texten zu Nautilus gegangen sind.

Nautilus hat sich nicht auf politische Texte beschränkt, sondern immer auch ein belletristisches Programm gepflegt, mit Autoren wie Jochen Schimmang, Ingvar Ambjornsen und Abbas Khider. Und hatte einen gesunden Sinn dafür, dass man mit Büchern Geld verdienen muss, um zu überleben. So versprach man sich – zurecht – Gewinn von der Veröffentlichung der Texte des früheren DDR-Chefkommentators Karl-Eduard von Schnitzler und nahm die weltanschauliche Prügel in Kauf. Weniger vorhersehbar war das zweite wesentliche Ereignis, von dem Mittelstädt spricht: der Bestseller „Tannöd“ der bis dahin völlig unbekannten Autorin Anna Maria Schenkel. Nautilus hat mit den Einnahmen eine neue Unterkunft beziehen können, den Mitarbeitern großzügige Provisionen gezahlt. Und doch bleibt eine gewisse Enttäuschung darüber, dass Schenkel inzwischen weitergezogen ist.

Im Mai 2013 starb Lutz Schulenburg, der Verlag verlor seinen großen Ideengeber. Hanna Mittelstädt hat mit den MitarbeiterInnen einen Beirat gegründet, um die Lücke zu mildern. Der Verlag wird in eine GmbH umgewandelt, deren Geschäftsführung Lektorin Katharina Picandet übernehmen wird. Es scheint, dass der Kopffüßler auf gutem Wege ist.  GRÄ

■ Jubiläumsgespräch und -lesung mit Hanna Mittelstädt, Niels Boeing, Robert Brack, Roberto Ohrt, Christoph Twickel u. a.: Do, 3. 4., 20 Uhr, Hamburg, Golem