Die Kosten des freien Marktes

NOBELPREIS Ökonomen Diamond, Mortenson und Pissarides werden ausgezeichnet für ihr Modell unvollkommener Märkte. Es erklärt, warum Jobs nicht optimal besetzt werden

Das Modell zeigt auch Effekte, die Befürwortern des Sozialstaates nicht gefallen dürften

VON HANNES KOCH

Das Spiel von Angebot und Nachfrage auf dem freien Markt bringt nicht immer das beste Ergebnis. Manchmal sind die Kosten für die Marktteilnehmer hoch und die Resultate ihrer Anstrengungen trotzdem schlecht. Für eine Theorie und ein Modell sogenannter Suchmärkte haben die Ökonomen Peter Diamond, Dale Mortensen und Christopher Pissarides am Montag den mit rund 1,1 Millionen Euro dotierten Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaft 2010 der Schwedische Akademie der Wissenschaften erhalten.

Der 70-jährige Diamond arbeitet am Massachusetts Institute of Technology in den USA, Mortensen (71) an der Northwestern University in Chicago. Ihr auf Zypern geborener Kollege Pissarides (62) ist tätig an der London School of Economics. Die Ausgangsfragen der drei Ökonomen: Warum funktioniert der Markt oft so schlecht? Warum kommen Anbieter und Nachfrager von Produkten und Dienstleistungen so schwer zusammen, wenn sie der marktfreundlichen Theorie entsprechend alle Informationen beschaffen können? Das habe mit externen Effekten zu tun, die die Marktteilnehmer nicht überblickten, antworteten die Preisträger auf Basis ihrer Studien seit den 70er Jahren.

Beispiel: Ein Erwerbsloser sucht eine Stelle, indem er die gängigen Bewerbungswege über Zeitungsannoncen und Internetangebote beschreitet. Ein konkurrierender Jobsucher wendet sich dagegen an teure, private Personalvermittler. Deshalb findet der zweite Bewerber auch eine Stelle, während der erste leer ausgeht. Dieser hat die externen Effekte besonderer Beziehungen, die die Arbeitsvermittler nutzen, missachtet oder unterschätzt. Dass nun der freie Arbeitsplatz mit dem zweiten Beschäftigten besetzt ist, bedeutet aber noch lange nicht, dass dieser bessere Arbeit macht, als der erste Bewerber es getan hätte. Aus einer Fehlbesetzung resultieren möglicherweise hohe Kosten für das Unternehmen. Aus solchen Überlegungen folgt, dass Märkte im Allgemeinen nicht unbedingt reibungslos funktionieren, wenn man sie sich selbst überlässt. Es kann gute Gründe für den Eingriff der Regierung in die Wirtschaft geben. Bekommen beispielsweise alle Erwerbslosen geregelten Zugang zu wirksamer, möglicherweise öffentlicher Arbeitsvermittlung, sinkt eventuell die Arbeitslosigkeit und Firmen finden geeignete Mitarbeiter. Um besonders die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt einzuschätzen, haben Diamond, Mortensen und Pissarides ihr DMP-Modell entwickelt. Die Arbeit der drei Ökonomen sollte man freilich nicht missverstehen als Plädoyer für jegliche Eingriffe der Regierung. Ihr Modell zeigt auch Effekte, die den Befürwortern eines umfassenden Sozialstaates nicht gefallen dürften. So liefert es Erklärungen, warum in manchen wirtschaftspolitischen Konstellationen gleichzeitig Arbeitslosigkeit und Zahl der offenen Stellen zunehmen. Dies kann damit zu tun haben, dass die Sozialleistungen für Arbeitslose zu großzügig bemessen sind, was diese davon abhält, sich schnell eine Stelle zu suchen.