LESERINNENBRIEFE
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BRD ist ein säkularer Staat

■ betr.: „Islam fördert Debattenkultur“, taz vom 8. 10. 10

In Radio- und Fernsehsendungen und in bestimmten Printmedien haben sich in den letzten Tagen immer wieder vor allem CDU/CSU-Politiker nicht entblödet, Kommentare zu der Präsidentenrede und dem Islam generell abzugeben, die entweder von Nichtwissen oder totaler Ignoranz zeugten. Selbst unsere Bundeskanzlerin hat sich bei der Regionalkonferenz auf Stammtischniveau herabgelassen mit ihrer Äußerung zu Grundgesetz und Scharia.

Ich möchte in diesem gesamten Zusammenhang darauf hinweisen, dass die Bundesrepublik ein säkularer Staat ist, in dem Religionsfreiheit garantiert ist. Auch wenn in Bayern gegen ein Bundesverfassungsgerichtsurteil verstoßen wird (siehe Kreuze im öffentlichen Raum), ist das nicht gleichbedeutend damit, dass unser Grundgesetz aufgehoben ist. Bei mehr als vier Millionen Menschen muslimischen Glaubens in Deutschland ist diese Ignoranz einfach nahezu pervers. Die Glaubensgemeinschaft dieser Menschen hat die gleichen Rechte wie jede andere Religionsgemeinschaft. Und was meint Herr Dobrindt mit der Leitkultur? Wie sieht die aus. Im Dritten Reich zählte zur „Leitkultur“ die Vernichtung der Deutschen jüdischen Glaubens und hat mit ähnlichen Diskriminierungen angefangen. Wollen wir etwa wieder da hin? Wenn nein, dann sollte die CSU mal über die Berge hinüberschauen, hinter denen sie sich verbarrikadiert, und die garantierten Menschenrechte akzeptieren. ALBERT WAGNER, Hünfeld

Eine klare Haltung gehört dazu

■ betr.: „Meinungen haben nichts mit Journalismus zu tun“,taz vom 7. 10. 10

Die Argumentation von Dana Priest führt in eine falsche Richtung. Und zeigt sehr gut, warum viele altgediente Tageszeitungen nicht mehr den Zeitgeist treffen. Denn selbstverständlich haben persönliche Meinungen und feste Weltbilder etwas mit Journalismus zu tun. Es kommt lediglich darauf an, sie zu kennzeichnen und den Leser hierüber nicht im Unklaren zu lassen. Dann sind solche Beiträge aber wesentlich aufschlussreicher und spannender als jene, die so nüchtern und neutral verfasst werden, dass sie lediglich die Oberfläche beleuchten und am Ende Langeweile ausstrahlen – worin ein zentraler Grund für die Krise vieler gedruckter Medien liegen dürfte. Denn jene haben einfach nicht verstanden, dass im Web-2.0-Zeitalter zu Textbeiträgen auch eine klare Haltung gehört.

RASMUS PH. HELT, Hamburg

Nicht vertraglich organisiert

■ betr.: „Zwischen Baum und Bahnhof“, taz vom 7. 10. 10

Heiner Geißler erwartet als Verhandlungsgrundlage die „Einhaltung einer Friedenspflicht“ wie es bei Gewerkschaftsverhandlungen üblich ist. Diese Bewegung ist aber nicht vertraglich organisiert. Sie entstand aus Protest von Bürgern, die sich dann zum Bündnis gegen Stuttgart 21 zusammenschlossen, wobei die Grünen dabei waren. Jetzt kommt eine lose wachsende, sehr unterschiedlich zusammengesetzte Bewegung dazu, die aus Sachkenntnis und tiefer, sehr differenzierter Besorgnis (zum Beispiel geologische Problematik) Alarm schlägt. Alle diese Menschen sind weder „Berufschaoten“ noch „satte Egozentriker“. Da die SPD im Gemeinderat und in Berlin bis heute für das Projekt gestimmt hat, muss sie jetzt nicht nach Volksentscheid schreien. Das ist genau so verlogen wie Herrn Mappus’ wahltaktisches „Entgegenkommen“, einen Vermittler zu befürworten! VITA F. HEIDENREICH, Stuttgart

Klare Ansage

■ betr.: „Die grüne Gefahr“, taz vom 6. 10. 10

Achtung: Nicht die eigenen Projektionen (aus dem fernen Berlin) mit dem verwechseln, was in Baden-Württemberg gerade passiert. Winfried Kretschmann mag in mancher Hinsicht zu kritisieren sein. Dass er klar sagt, dass auch die Grünen nicht garantieren können, dass Stuttgart 21 in einigen Monaten noch umkehrbar ist, rechne ich ihm hoch an. Dass ist doch genau das Gegenteil der üblichen himmelblauen Wahlversprechen, die nach der Wahl dann klammheimlich und mit eingezogenem Schwanz abgeräumt werden. Ob WählerInnen so viel Ehrlichkeit honorieren, weiß ich nicht.

Als politischer Stil ist es jedenfalls begrüßenswert, klar die eigenen Ziele zu benennen und gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass auch die politische Handlungsmacht neu gewählter Regierungen ihre Grenzen hat. Wie übrigens auch der Volksentscheid.

TILL WESTERMAYER, Freiburg

Verwirrspiel ist perfekt

■ betr.: „Geißler erreicht Baustopp“, taz vom 8. 10. 10

Das Verwirrspiel um „Baustopp oder nicht“ zu Stuttgart 21 ist perfekt. Ich frage mich allerdings: Wie kann Herr Mappus die (vorläufige!) Unterbrechung einer illegalen Baumfällaktion, deren Fortsetzung vom Eisenbahn-Bundesamt unter Androhung eines Zwangsgeldes von 250.000 Euro untersagt wurde, als Entgegenkommen zur Erleichterung von ersten Gesprächen bezeichnen? Ich bin ziemlich sicher, dass die Erhaltung des Südflügels im Augenblick notwendig ist, weil er gewissermaßen als Stützmauer des Niveauunterschieds zwischen Schlossgarten und Gleisen fungiert. Interessant wäre aber die Frage nach den bereits zur Rodung ausgeschriebenen 83 Bäumen auf der Nordseite des Bahnhofs und vor der ehemaligen Bundesbahndirektion. Wie sieht es damit aus? SABINE REICHERT, Stuttgart