Jukebox

Abstinente Exzentrikerin gerät in Vergessenheit

International erfolgreiche junge Rocksängerinnen aus Kanada – davon kennt man zurzeit vor allem eine: Avril Lavigne. Ihr Debüt „Let Go“ landete vor vier Jahren in Deutschland sofort in den Top Ten, und sie erhielt einen MTV Award als beste Newcomerin.

Weniger berühmt, aber sehr viel spannender ist die kanadische Musikerin Bif Naked. Das fängt schon mit ihrer Biografie an, die so klingt, als hätten Tracey Emin und Johnny Cash eine Romanfigur entworfen: Beth Torbert, so Bif Nakeds bürgerlicher Name, kommt in Neu Delhi zur Welt und wird von ihrer Mutter, einem Teenager, zur Adoption freigegeben. Ein Missionarsehepaar adoptiert das Baby und zieht schließlich nach Kanada. In Winnepig studiert Beth Torbert Theaterwissenschaften und steht erst als Stand-up-Comedian, dann als Sängerin auf der Bühne. Mit 23 Jahren bringt sie eine EP mit vier Liedern und einem Gedicht heraus, auf dem eigenen Label „Her Royal Majesty’s Records“. Mit dieser Veröffentlichung sichert sie sich genug Aufmerksamkeit, um einen Vertrag mit Concrete Records abzuschließen und ihr erstes Album „Bif Naked“ herauszubringen.

Ihre Fans schätzen sie für die Rigorosität ihres Punkrock-Sounds und ihrer Texte, in denen sie vor allem feministische Themen anspricht, von persönlichen Erfahrungen wie Abtreibung oder Vergewaltigung singt. Ihre Stimme ist punkig-rau, ihr Nikotin- und Trinkverhalten muss man sich wie das des jungen Tom Waits vorstellen, ihren Körper übersät sie von Kopf bis Fuß mit Tätowierungen.

Nach mehreren Alkoholvergiftungen ist Bif Naked mittlerweile abstinent – ihre neue Sucht ist Sport, mit dem sie gegen ihre Krankheit, eine Herzerweiterung, anzukämpfen versucht. Das und eine strenge Diät reißen sie allerdings in Essstörungen – was man ihren Fotos zum dritten Album „Purge“ (2002) auch ansieht. Wegen rechtlicher Streitigkeiten erscheint diese Platte allerdings nur in Amerika, Bif Naked gerät so weitgehend in Vergessenheit.

Noch dieses Jahr könnte sich das ändern – mit der Europatournee, die die mittlerweile 35-Jährige dieser Tage auch nach Deutschland führt. Am Dienstag ist sie in Berlin und gibt eine Konzert im Café Zapata. ANDREA EDLINGER