leserinnenbriefe
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Stuttgart ähnelt Wendland

■ betr.: „Wir haben nicht gedacht, dass so was … passiert“, taz vom 4. 10. 10

Die Berichte von betroffenen SchülerInnen und BürgerInnen des Gewaltexzesses der Polizei im Schlosspark von Stuttgart ähneln erschreckend unseren Erfahrungen im Wendland bei den Castortransporten. Auch wir sind jedes Mal fassungslos, wie Pfefferspray und Schlagstöcke sowie Tritte und Fausthiebe gegen demonstrierende Menschen, Kinder bis hin zu ihren Urgroßeltern, zumeist ohne Konsequenzen für die ausführenden Polizisten eingesetzt werden. Und auch hier wird im Nachhinein jedes Mal behauptet, die Polizei wäre angegriffen worden, die Polizei habe sich vor gefährlichen Chaoten schützen müssen, und eine riesige Menge Menschen, BürgerInnen, die nichts weiter tun, als ihr verfassungsmäßiges Versammlungs- und Demonstrationsrecht wahrzunehmen, werden als kriminell dargestellt. Ein erschreckender Vorgang in einer Demokratie. Polizeigewalt gegen friedliche, vielleicht hartnäckige und ausdauernde DemonstrantInnen ist durch nichts zu rechtfertigen! IRIS BIETZKER, Clenze

Blutige Augen

■ betr.: „An der Realität erblindet“, taz vom 7. 10. 10

Das Bild von dem Mann mit den blutenden Augen auf der Titelseite der taz hat mich am 1. Oktober so schockiert, dass ich es nicht ertrug, die Zeitung offen herumliegen zu lassen. „Das wäre nach Heiligendamm das zweite Mal, dass ein Mensch durch einen Wasserwerfer ein Auge verliert“, ging mir sofort durch den Kopf.

Dass Polizei und Landesregierung beteuern, der Einsatz sei verhältnismäßig gewesen und alle Vorschriften seien eingehalten worden, lässt nur einen Schluss zu: Wasserwerfer können Menschen im Normalbetrieb so schwer verletzen, dass sie verboten werden müssen.

CHRISTOPH LANG, Berlin

Regierungswille

■ betr.: „Bei uns entscheiden Parlamente…“, taz vom 4. 10. 10

Was derzeit rund um den Stuttgarter Bahnhofsneubau passiert, erschreckt mich sehr. Hier wird auf Biegen und Brechen Regierungswille durchgesetzt. Selbst ranghohe Manager der Republik scheuen sich nicht, vom Grundgesetz legitimierten Widerstand der Bevölkerung zu kriminalisieren. Was Regierungswille ist und wie lobbygetrieben er sein kann, zeigen die letzten Fälle: Energiekonsens, Hotelsteuer, Gesundheitsreform, Endlagerdiskussion etc. Noch leben wir in einer parlamentarischen Demokratie. Ich möchte nicht den Tag erleben, an dem ich morgens in einer parlamentarischen Diktatur aufwache.

WOLFGANG SIEDLER, Langenhagen

Oben bleiben!

■ betr.: Stuttgart 21

Einige Politiker und Manager scheinen nicht zu begreifen, dass viel Protest gegen Stuttgart 21 von Leuten kommt, die ursprünglich begeisterte Bahnreisende waren. Ich persönlich fahre seit fast 50 Jahren mit dem Zug, habe ihn auch als bevorzugtes Familientransportmittel gesehen und gerne dafür geworben. Aber seit einiger Zeit mache ich mehr schlechte Erfahrungen als in den Jahrzehnten zuvor:

Kaputte Klima- und Sanitäranlagen, schlechte Anschlussverbindungen, gestrichene Nachtzüge, mangelnde Kommunikation, defekte Automaten, schlechte Organisation bei hohem Fahrgastaufkommen, häufige Verspätungen und dann noch die zunehmende Vertunnelung, die Landschaft und Reisende immer mehr voneinander trennt. Schon bei Normalbetrieb stressig, haben Pannen untertage etwas richtig Alptraumhaftes. Also oben bleiben! BRIGITTE PLEGER, Pullach

SolidariTAZtuch

■ betr.: „Schön gewickelt“,taz vom 8. 10. 10

Mir ist wichtig, was ein Mensch im und nicht auf auf dem Kopf hat. Es ist Zeit für ein SolidariTAZtuch mit dem Aufdruck: „Wir glauben an das Grundgesetz!“, das frau und mann (!) wahlweise ganz zwanglos als Kopf- , Hals- oder Schultertuch oder sonst wie tragen kann. Das einzige Verbot sollte allen Bedeckungen gelten, die die Identifizierung von Menschen verhindern sollen. Unterdrückung wird schließlich nicht nur an, sondern auch von Vermummten verübt und sei es nur, damit ein Bahnhof gebaut werden kann…

KATHARINA SCHÄFER, Duisburg

Steinläuse

■ betr.: „Zwischen Baum und Bahnhof“, taz vom 7. 10. 10

Die stärkste Waffe gegen dieses Projekt lauert im Untergrund. Schon in den 90er Jahren sind ein paar der von Dr. Grzimek entdeckten Steinläuse aus der Stuttgarter Wilhelma in den Untergrund entwichen. Diese kleinen possierlichen Tierchen unterstehen wie alle schützenswerten Arten dem Artenschutz…

Die poröse Untergrundlage in den künftigen Tunnelbereichen ist auf das Vorhandensein dieser Art zurückzuführen. Was dieses Tier kann, hat uns Loriot schon in seinen Dokumentationen gezeigt.

HANS DIETER SCHMIDT, Glinde