Mit präzisem Schuss

Es war die spielentscheidende Szene: Als Hakan Calhanoglu in der 53. Minute am Trikot des davoneilenden Christian Gentner zupfte und dieser fiel, sah Schiedsrichter Felix Brych ein taktisches Foul und gab Calhanoglu regelkonform die gelbe Karte.

Da der HSV-Spieler bereits mit einer gelben Karte vorbestraft war, hieß die Konsequenz: Platzverweis. Und zu zehnt konnten die bis dahin gleichwertigen Hamburger Alexandru Maxims Tor zum 0:1 in der 69 Minute nicht verhindern. Sauer waren sie anschließend nur auf den Schiedsrichter – dem Gelb-Rot-Sünder Calhanoglu wollte niemand einen Vorwurf machen. „Dafür hat er schon zu viele Spiele für uns gewonnen“, sagt HSV-Torwart René Adler.

In der Tat: Wenn es in den trüben vergangenen Monaten neben dem derzeit verletzten Stürmer Pierre-Michel Lasogga einen Lichtblick beim HSV gegeben hat, dann war es der gerade mal 20-jährige Offensivspieler. Er erzielte drei der vier letzten Treffer, darunter ein Traumtor gegen Borussia Dortmund. Mit seinem harten, präzisen Schuss und seiner Dynamik ist er derzeit der einzige, der den Hamburgern mit Einzelleistungen aus der Bedrängnis helfen kann.

Dabei war sich Calhanoglu, der in der vergangenen Saison den Karlsruher SC mit 17 Toren in die 2. Liga schoss, vor knapp zwei Jahren schon mit Werder Bremen über einen Wechsel einig. Bremens damaliger Manager Klaus Allofs versäumte es aber, sich mit den Karlsruhern zu einigen – und HSV-Sportchef Frank Arnesen nutze die Gunst der Stunde: Der KSC erhielt eine Ablöse von zwei Millionen Euro und durfte Calhanoglu noch eine weitere Saison behalten.

Verhandlungsführer auf Karlsruher Seite war damals Oliver Kreuzer, der im Sommer 2013 dann gleichzeitig mit Calhanoglu beim HSV landete. Für Kreuzer mit seiner kurzen Amtszeit ist die im Februar ausgehandelte Vertragsverlängerung mit Calhanoglu bis 2018 der bisher größte Management-Erfolg. Und der Marktwert seines Schützlings dürfte bei anhaltender Leistung bald in den zweistelligen Millionenbereich springen.

Im Abstiegskampf des HSV nun wiegt Calhanoglus sportlicher Wert um ein Vielfaches höher. Da ist es ein großes Handicap, wenn der Verein am Mittwoch gegen den SC Freiburg auf seinen derzeit Besten verzichten muss, wegen der Rot-Gelb-Sperre. Dass Calhanoglus Vertrag auch für die zweite Liga gilt, ist für HSV-Fans kaum ein Trost.

Bundestrainer Jogi Löw wird auf ihn jedenfalls verzichten müssen: Calhanoglu besitzt zwar die deutsche Staatsbürgerschaft, ist nach einem Einsatz in der türkischen A-Nationalmannschaft aber für Deutschland nicht spielberechtigt. RLO