Aktuelle Musik? „Powder her face“!

Über die „szenische Umsetzung“ der Musik von Thomas Adès und die Abwesenheit der Musik von heute beim Musikfest

Ja, Thomas Adès. Der sechsunddreißigjährige Engländer ist heute die allererste Adresse, wenn es darum geht, dass zeitgenössische Musik richtig schwungvoll und schön ist. Zudem ist er äußerst begabt, Stile unterschiedlichster Provenienz abzugrasen und was mehr oder weniger Neues daraus zu machen. Das hat er schon als Zwanzigjähriger so gemacht und das macht er immer noch, wie an den Festivals für zeitgenössische Musik zu hören war. 1995 entstand die Kammeroper „Powder her face“, das jetzt beim Bremer Musikfest mit fünfzehn MusikerInnen der Deutschen Kammerphilharmonie unter der Leitung von Stefan Solyom, einer der vielen Shooting-Stars des Orchesters, im Pier Zwei aufgeführt wurde.

Alles ein bisschen merkwürdig an diesem Abend: Zum Beispiel die Nennung des zukünftigen Theater-Intendanten Hans Joachim Frey als „künstlerischem Berater“ – der hatte immerhin die SängerInnen beschafft. Ursprünglich sollte er für die Regie verantwortlich zeichnen, die fehlte im Programmheft aber, als Ersatz diente wohl „szenische Umsetzung“. Etwas mehr als konzertante Aufführung, etwas weniger als wirklich Regie – Susanne Gauchel hat die angedeutete Arbeit gemacht. Aber genau das blieb ein derart unbefriedigender Zwitter, dass man erst etwas sagen kann, wenn das Stück in der nächsten Spielzeit ins Bremer Theater-Repertoire aufgenommen werden soll.

Das altbackene Sujet über das Herunterkommen und das Ende einer einstmals gesellschaftlich geschätzten „Duchess“, die nach einem Unfall zur Nymphomanin wurde und am Ende ihre Hotelrechnung nicht mehr bezahlen kann, lässt sich – wenn überhaupt – nur in einer fertigen Inszenierung zeigen, die die Komik und Tragik gleichermaßen auf das Schärfste herausarbeitet. Gleichwohl gelang es der Hauptdarstellerin Takesha Meshé Kizart mit einem großartigen sängerischen und darstellerischen Können, uns in den Bann des von der englischen Yellow Press so übel begleiteten Schicksals zu ziehen. Das gilt auch für den spielbegabten Tenor Niall Morris, den stimmstarken Bariton Graeme Broadbent und die ulkige Sopranistin Valdine Anderson. Die Musik kam so fetzig daher, wie sie wohl gemeint ist, hat in der gut vorbereiteten Interpretation der Kammerphilharmonie viele Facetten zwischen instrumentaler Komik und tragischen Ebenen. Aber eben: Neue Musik kann man das ebenso wenig nennen wie die Salonklänge von Lera Auerbach, beide Konzerte bestätigen leider nur die anhaltende Abwesenheit der Musik von heute beim Musikfest. Ute Schalz-Laurenze